Sehr geehrter Herr Limburg, warum ist das Bundeswehrsondervermögen in seiner Höhe von 100 Milliarden Euro gerechtfertigt?
Russland führt einen Angriffskrieg in der Ukraine. Dass das die Sicherheitspolitische Landschaft verändert ist klar. Aber politische Handlung muss Sinn ergeben, gerade wenn ganze Jahreshaushalte für ein einzelnes Ressort ausgegeben werden sollen.
Das russische Militär scheint schon mit einem Staat seine Probleme zu haben. Und die Nato hatte, schon vor dem Ukrainekrieg, eine deutliche Übermacht in allen relevanten Rüstungskategorien: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/379080/umfrage/vergleich-des-militaers-der-nato-und-russlands/ .
Durch den Verschleiß in der Ukraine hat sich dieses Bild nur verstärkt. Darüber hinaus würde ein Nato-Russland Krieg nicht mit konventionellen Waffen gefochten. Ein solcher Krieg bedeutet das Ende für uns alle, egal, wie viele Panzer und Flugzeuge wir kaufen. Russische Panzer würden nie deutschen Boden erreichen, weil unser Kontinent vorher im atomaren Feuer vergeht. Also was ist die rationale Begründung dafür, derart viel Geld auszugeben?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat unsere Welt verändert. Die jetzige Situation führt der EU und ihren Mitgliedstaaten schmerzlich vor Augen, dass Sicherheit und Frieden nicht selbstverständlich sind. Putins brutaler Krieg in der Ukraine bedeutet unermessliches Leid und Zerstörung und ist eine klare Absage an Diplomatie, internationale Abkommen und Völkerrecht.
Der Bundeskanzler hat auf diese Zeitenwende in der europäischen Sicherheitspolitik mit der Ankündigung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro reagiert, um unsere Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Mit dem Sondervermögen soll vor allem die Bundeswehr in die Lage versetzt werden, die im Rahmen der Verteidigung des Bündnisses erforderlichen Fähigkeiten einzubringen und Ausrüstungslücken zu schließen. Denn wie etwa dem Jahresbericht der Wehrbeauftragten zu entnehmen ist, mangelt es der Bundeswehr derzeit an vielen Stellen an einsatzfähiger Ausrüstung, sei es bei der persönlichen Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten oder bei den Hauptwaffensystemen. Es geht also weniger um Aufrüstung der Bundeswehr als um eine adäquate Ausrüstung, die nötig ist um unseren Verpflichtungen gegenüber der NATO kontinuierlich nachzukommen.
Wir wissen nicht, wie sich der Krieg in der Ukraine, die Politik Russlands und damit die Sicherheitslage in Europa in den nächsten Jahren entwickeln werden. Putin hat gegenüber der Ukraine auf militärische Überlegenheit gesetzt und sich damit dramatisch verkalkuliert. Damit er nicht gegenüber der NATO einer ähnlichen Fehleinschätzung unterliegt, darf es keinen Zweifel daran geben, dass auch Deutschland willens und in der Lage ist, seinen Bündnisverpflichtungen nachzukommen.
Uns Grünen ist aber wichtig, den Sicherheitsbegriff nicht nur auf das Militärische zu verengen: Vernetzte Sicherheit ist mehr als Militär und mehr Geld bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit. Neben den nötigen Investitionen in die Ausstattung der Bundeswehr müssen auch die Bereiche Cybersicherheit und Unterstützung von Partnerstaaten adressiert werden. Zudem muss das Beschaffungswesen und das Controlling der Bundeswehr deutlich verbessert werden, damit zusätzliche Haushaltsmittel auch tatsächliche Wirkung entfalten. Wir werden gleichzeitig sicherstellen, dass wir auch weiterhin einen umfassenden Sicherheitsbegriff verfolgen, wie wir ihn im Koalitionsvertrag verankert haben. Angesichts steigender Ausgaben für Verteidigung gilt es, ein besonderes Augenmerk auf die friedensstiftenden und friedenssichernden Ausgaben zu legen. Für echte menschliche Sicherheit braucht es auch mehr humanitäre Hilfe, mehr Entwicklungszusammenarbeit, Fähigkeiten zur zivilen Krisenprävention, eine stark aufgestellte und reaktionsfähige Diplomatie, Cybersicherheit, Zivilschutz, Energiesouveränität, Dass der Ausbau erneuerbarer Energien und Energiesouveränität eine Frage der nationale Sicherheit ist, wurde in Deutschland zu lange negiert. Entsprechend bringt Koalition viele Maßnahmen auf den Weg, um so schnell wie möglich von Kohle, Öl, Gas wegzukommen und den Verbrauch schnell zu reduzieren.
Herzliche Grüße
Helge Limburg