Frage an Helga Stieglmeier von Wolfgang M. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Stieglmeier,
auch alle Sport- und Privatpilotenpiloten müssen sich neuerdings einer sehr fragwürdigen, periodischen und zudem kostenpflichtigen Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) nach dem LuftSiG "freiwillig" durch eigenen Antrag unterziehen. Als Begründung dieser Maßnahme wird die Terrorgefahr genannt, die angeblich von jedem Piloten ausgehen soll.
Sind Sie der Meinung, dass ein solcher unglaublicher Globalverdacht gegen eine bisher völlig unauffällige Bürgergruppe angemessen ist?
Ist das nicht reiner bürokratischer Aktionismus und Populismus auf dem Rücken von unschuldigen Bürgern, die mit all dem nicht das Geringste zu tun haben? Wird dadurch nicht der rechtstaatliche Grundsatz der Unschuldsvermutung - und damit unser zentrales Rechtsverständnis - ausgehebelt? Sollte nicht wenigstens ein gewisser Anfangsverdacht diese ZÜP rechtfertigen?
Es hat weltweit noch nie einen lizenzierten Piloten gegeben, von welchem an Terroranschlag ausging. Es gab aber jede Menge Führerscheinbesitzer und Rucksackträger!!! Lastwagenfahrer stellen ein viel größeres "Gefahrenkontingent" dar, kommen sie doch problemlos mitten in jede Innenstadt!
Warum werden diese nicht zum gläsernern Bürger gemacht, sondern (bis jetzt) nur die harmlose Minderheit der Privatpiloten?
Wo ist hier Ihrer Meinung nach das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit noch gegeben?
Durch Zahlreiche Gesetze (LuftSiG, Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung, Abschaffung des Bankgeheimnisses u.s.w.) werden die Bürger zunehmend überwacht und es ist noch kein Ende in Sicht - auch neue Technologien spielen dabei eine große Rolle (TollCollect, Gesundheitskarte, RFID)
Werden Sie sich nach Ihrer Wahl für eine Renaissance der Bürgerrechte - unter besonderer Brücksichtigung der Privatpiloten einsetzen?
Freiheit und Demokratie und Menschenwürde - werden sie dadurch geschützt, dass man sie schleichend gegen die Würde des Menschen einfach abschafft?
Nicht einmal die USA überprüft auf solche entwürdigende Weise ihre Altpiloten. Übrigens auch keine Ausländer mit USA - Lizenz! Nur Deutschland versucht wieder einmal, die traurige Nummer eins in der Welt zu sein.
Sehr geehrter Herr Merz,
nach jedem Terroranschlag, nach jedem Verbrechen, wird sofort der Ruf nach mehr Überwachung, nach schärferen Strafen laut. Angst und Schrecken rufen starke emotionale Reaktionen hervor, die Hilflosigkeit angesichts solch menschen- und lebensverachtender Anschläge macht Menschen fassungslos und der Ruf nach Stärke und Sicherheit ist erst einmal nachvollziehbar. PolitikerInnen haben aber gerade in Extremsituationen die Verantwortung, sich nicht von Emotionen leiten zu lassen. Gerade diese neue und schreckliche Vorgehensweise des Terrorismus, wahllos möglichst viele Menschen zu treffen, erfordert m.E. noch größere Besonnenheit von den Verantwortlichen.
Ich gebe Ihnen recht, dass auf diesem Gebiet leider sehr schnell mit Einschränkung der Bürgerrechte gehandelt wird. Sehr bedenklich finde ich auch, dass die Bevölkerung darauf zunehmend unsensibel reagiert und auf diese Bürgerrechte gerne verzichtet für eine scheinbar größere Sicherheit. Und ich sage bewußt: scheinbar. Denn absolute Sicherheit kann es nicht geben. Mit unserer Geschichte können wir das Gut der Bürgerrechte nicht hoch genug einschätzen. Gerade angesichts des Terrors, der gegen unsere Werte zielt, müssen wir diese schützen und dürfen sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Zu Ihrer speziellen Frage bezüglich Überprüfung der Privatpiloten bin ich prinzipiell dagegen, eine Gruppe von Menschen - seien es Piloten oder Moslems - unter Generalverdacht zu stellen. Die Ausführungen des LuftSiG kenne ich nicht und kann dazu leider keine fundierten Aussagen machen. Ich teile aber Ihre Sorge um die Zukunft von Freiheit und Demokratie.
Mit freundlichen Grüßen
Helga Stieglmeier