Frage an Helga Lopez von Michael S. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
Thema meiner Frage ist ein gravierendes gesellschaftliches Problem, dessen Folgen ich Sie bitten möchte einmal abzuschätzen: der Kontaktabbruch von Trennungskindern zum nichtbetreuenden Elternteil inklusive der gesetzlichen Ungleichstellung "nichtehelicher" Kinder und ihrer Väter.
Was ist zu der BVerfG-Entscheidung aus dem Januar 2003 geplant, die die Verwandtschaftsbeziehung von Kindern nicht mit der Mutter verheirateter Väter mit ebendiesen hinter den ja auch willkürlich ausfüllbaren Trauschein zurückstellt und die Entscheidung über die prinzipiell gemeinsame Sorge nach dem Vorbild anderer EU-Staaten an den Gesetzgeber zurückverweist? Wie kann es sein, daß Richter entscheiden können, ein Kind brauche "Ruhe" und den Umgang mit einem Elternteil ohne gravierende Gründe für Jahre "sperren", weil dieser verzweifelt um Kontakt zu seinen Kindern kämpfen muß, was dann oftmals ausgerechnet als vermeintliche "Streitsucht" ausgelegt wird?
Wie kann dem Grundrecht auf Familienleben, ohne Orientierung an schlechten Beispielen (Elternteile, die ihre Kinder im Stich lassen), Rechnung getragen und zum Wohle der Kinder eine tatsächliche Gleichberechtigung von Männern (Vätern) und Frauen (Müttern) unabhängig von Trauschein und/oder Scheidung/Trennung bewirkt werden?
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Siebel
Sehr geehrter Herr Siebel,
nach unserem Recht erhält die Mutter eines unehelichen Kindes das alleinige Sorgerecht. Der Vater kann Sorgerecht nur bekommen, wenn die Mutter zustimmt. Für diese Rechtsgestaltung gab es damals gute Gründe, unter anderem die Einschätzung von Fachleuten, was für das Kind das Beste ist. Damals ging man davon aus, es sei für das Kind besser, nur eine Erziehungsperson zu haben, anstatt zwei Erziehungspersonen, die sich in dauerhaftem Streit, unter anderem bezüglich des Umgangsrechtes, befinden. Und wenn der uneheliche Vater ernsthaft und vertrauensvoll seine Vaterschaft ausfüllen will, wird die Mutter gegen diese Hilfe nicht opponieren, sondern dem gemeinsamen Sorgerecht zustimmen, so der Grundgedanke.
Inzwischen sagen viele Fachleute, das Kind braucht Mutter und Vater, und Eltern müssen sich dieser Verantwortung bewusst werden und einen gemeinsamen Nenner finden. Außerdem zeigt die Praxis, dass vielfach insbesondere bei den Vätern Unwissenheit besteht über die Regelungen zum Sorgerecht für unehelich geborene Kinder. Außerdem wissen viele Mütter nicht, dass der sorgeberechtigte Vater nicht in die Alltagsentscheidungen eingreifen kann, wenn er nicht mit Mutter und Kind im gleichen Haushalt wohnt. So haben viele Frauen, selbst wenn es zu keinerlei Streitigkeiten kommt und der Vater sich um sein Kind "kümmert", kein allzu großes Interesse an einem gemeinsamen Sorgerecht.
Wir wissen, dass es in vielen Fällen in Folge der Trennung zu heftigen Spannungen zwischen den Eltern kommen kann, die leider auch das Kind stark beeinträchtigen. Trotzdem ist die grundsätzliche Regelung so, dass bei Verheirateten bei Trennung beide das gemeinsame Sorgerecht behalten. Allerdings kann ein Elternteil auch das alleinige Sorgerecht beantragen und bekommt es ggf. zugebilligt, sofern es dem Wohl des Kindes dient.
Eine entsprechende Regelung kann man auch für nichtehelich geborene Kinder gesetzlich verankern, und nicht nur die ständig steigende Zahl von Eltern, die unverheiratet in häuslicher Gemeinschaft leben, spricht dafür. Immer mehr uneheliche Väter, die nicht oder nicht mehr mit der Mutter ihres Kindes zusammen leben, wollen aber Sorge für ihr Kind tragen und dadurch auch die Mutter entlasten.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2003 entschieden, dass die jetzige Sorgerechtsregelung für unehelich geborene Kinder (noch) rechtens ist. Das Gericht hat aber auch aufgegeben, die gesellschaftliche Entwicklung zu beobachten und dann gegebenenfalls die jetzige Regelung den tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen.
Ich glaube, es ist langsam an der Zeit, die Altregelung zu überdenken und als Grundsatz beiden Eltern das Sorgerecht zu geben, und zwar unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht. Denn Väter, die sich nicht kümmern, böswillig ihren monetären Verpflichtungen nicht nachkommen oder nur "auftauchen", um Stress zu machen, kann man dann ja, wie eheliche Väter nach der Scheidung auch, vom Sorgerecht ausschließen.
Mit freundlichen Grüßen
Helga Lopez, MdB