Frage an Heinz Riesenhuber von Florian P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Riesenhuber,
Sie haben sich an der Abstimmung zur Vorratsdatenspeicherung nicht beteiligt. Meine Frage an Sie ist, wie Sie es verantworten können, sich zu einer so wegweisenden Frage für unsere Gesellschaft nicht zu äußern?
Mit freundlichen Grüßen
Florian Pester
Sehr geehrter Herr Pester,
vielen Dank für Ihre e-mail, in der Sie mich danach fragen, warum ich mich nicht an der Namentlichen Abstimmung zur Vorratsdatenspeicherung am letzten Freitag, dem 9.11.2007, beteiligt habe.
Für diese Namentliche Abstimmung habe ich mich wegen eines langfristig geplanten Termins außerhalb Berlins ausnahmsweise entschuldigen müssen.
In der Sache muss ich Ihnen sagen, dass ich dem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung - nach reiflicher Überlegung und vielen Diskussionen mit unseren Rechtspolitikern und Verfassungsexperten - zugestimmt hätte, wenn ich an der Abstimmung hätte teilnehmen können.
In der Tat bewegen wir uns bei diesem Thema in einem schwierigen Spannungsfeld. Auf der einen Seite steht das Recht, unbeobachtet, unabgehört zu leben, und auf der anderen Seite gilt die verfassungsrechtlich verbürgte Pflicht des Staates, Schutz zu gewähren.
Die Vorratsdatenspeicherung ist jedoch nach meiner Überzeugung - und nach Auffassung der Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag - notwendig, weil der Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten in bestimmten Fällen unverzichtbar ist. Das gilt insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen - wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind - und bei mittels Telekommunikation begangenen Straftaten.
Das Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat bereits in der Vergangenheit erfolgreich zur Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität beigetragen. Denn schon bisher hatten Ermittlungsbehörden unter strengen rechtlichen Vorgaben die Möglichkeit, auf die Daten zuzugreifen, die die Telekommunikationsunternehmen aus geschäftlichen Gründen gespeichert haben.
Doch die stetige Zunahme sogenannter "Flatrate-Tarife", bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Unternehmen nicht mehr erforderlich ist, hat die Möglichkeit der Datenabfrage zu Ermittlungszwecken mehr und mehr eingeschränkt - mit allen negativen Konsequenzen für die Bekämpfung organisierter Kriminalität.
Allein deshalb war es erforderlich, eine gesetzliche Verpflichtung zur Datenspeicherung für die Telekommunikationsunternehmen einzuführen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden oder nicht. Die bisherigen Schutzvorkehrungen sind dabei uneingeschränkt beibehalten worden.
Die Bundesregierung hat sich bereits bei den Verhandlungen zur EU-Richtlinie im Vorfeld erfolgreich dafür eingesetzt, dass sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung getragen wird. Bürgerrechte werden durch die Neuregelung nicht zusätzlich eingeschränkt.
So gibt es - wie bisher:
- Datenspeicherung nur bei den Unternehmen, nicht beim Staat,
- keine Speicherung von Gesprächsinhalten bei Telefonaten, nur die Speicherung von Verbindungsdaten,
- eine Beschränkung der Speicherungsfrist auf 6 Monate,
- eine Datenabfrage durch den Staat nur bei begründetem Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten, bei denen es keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung gibt, und nur auf der Grundlage eines richterlichen Beschlusses,
- keine Möglichkeit zu einer anderweitigen Verwendung der Daten, auch nicht zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche;
Neu ist, dass bei Telefonaten über Mobilfunk zusätzlich der Standort bei Beginn der Verbindung gespeichert wird.
Neu ist auch, dass künftig auch Verkehrsdaten bei der Kommunikation über das Internet und per e-mail gespeichert werden. Auch hier gilt jedoch:
- nur die Verkehrsdaten werden gespeichert (wie Rufnummer, IP-Adresse, Zeitangaben), n i c h t die Inhalte - auch nicht Internetseiten, die besucht wurden.
Die Speicherverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen beginnt ab 1.1.2009.
Beigefügt finden Sie die Pressemeldung des Bundesjustizministeriums zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung, die noch einmal übersichtlich die wesentlichen Inhalte darstellt.
Ich hoffe sehr, dass ich Ihre Bedenken zerstreuen konnte, und bitte um Ihr Verständnis für die Entscheidung des Deutschen Bundestages.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Heinz Riesenhuber