Frage an Heinrich Kolb von Dennis P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Kolb,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort vom 27.11.08. bezüglich des Liberalen Bürgergeldes.
Mir ist jedoch noch immer nicht klar, zumal es auch ein erklärtes Ziel Ihrer Partei ist, auch für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer die Arbeitsanreize und Chancen zu erhöhen, ob eine solche Regelung nicht zu einer Art "Phantom-Beschäftigung" führen könnte.
Ich gebe ihnen ein Beispiel: Ein gering qualifizierter Arbeitnehmer nimmt bei einem Unternehmen eine Halbtagsstelle für 1 Euro pro Stunde (sagen wir im Lager) an. Damit ist er in den Augen des Staates formal beschäftigt und hat seine Arbeitswilligkeit bewiesen, ist jedoch immer noch bedürftig, würde also Bürgergeld beziehen, und vielleicht effektiv, weil er einen gnädigen Chef hat, nur einen Tag die Woche kommen. (Er kostet den Chef ja nur 80 Euro im Monat plus Soziallversicherung-Pauschale)
Oder beim Thema Hausangestellte? Wer sagt, dass ich nicht jemanden für formal 20 Stunden die Woche einstelle, er aber nur 4 kommt, und einmal die Küche putzt? Er wäre formal angestellt und hätte Anspruch auf Bürgergeld.
Natürlich wäre es möglich, solchen MIssbrauch zu verhindern, aber zu welchem Preis? Es müssten Kontrolleure geschickt werden, Definitionen verabschiedet werden, ab wann eine Phantom-Beschäftigung als solche zu bezeichnen ist, und der Willkür der Kontrolleure wäre Tür und Tor geöfffnet, da solche Definitionen naturgemäß einen großen Ermessensspielraum beinhalten, etc. Ganz zu schweigen davon, was eine solche Kontroll-Infrastruktur wieder kosten würde.
Wenn man auf solche aufwendigen Kontrollen verzichtet, wäre das Liberale Bürgergeld nicht ein de-facto-bedingungsloses Grundeinkommen?
Sehen Sie diese Sache auch so, oder habe ich da jetzt irgenwo einen großen Denkfehler gemacht?
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Dennis Pachernegg
Sehr geehrter Herr Pachernegg,
Ihre Nachfrage zum Liberalen Bürgergeld habe ich mit Interesse gelesen. Bei den von Ihnen angeführten Beispielen handelt es sich, wie Sie selbst ausführen, um Fälle des Gestaltungsmissbrauchs. Hier werden Beschäftigungsverhältnisse konstruiert bzw. fingiert. Derartige Verträge sind nichtig, da den Parteien ja von Anfang an der Wille fehlt, den Vertrag zu erfüllen. Im Einzelfall können derartige Missbrauchsfälle auch strafrechtlich relevant sein. Ein Arbeitgeber, der sich hierfür zur Verfügung stellt, geht also ein sehr hohes Risiko ein, dem in den meisten Fällen kein erkennbarer Nutzen bzw. eigener wirtschaftlicher Vorteil gegenüber stehen dürfte. Dass die Bekämpfung derartigen Missbrauchs, wie Sie meinen, den Aufbau eines mit hohen Kosten verbundenen Kontrollmechanismus erforderte, bezweifle ich. Die Zahl solcher fingierter Beschäftigungsverhältnisse dürfte sich aus den genannten Gründen meines Erachtens eher in engen Grenzen halten. Ordnungs- und gesellschaftspolitisch hingegen ist es ein großer Unterschied, ob man von vornherein auf das Erfordernis eigener Anstrengungen als Voraussetzung für den Bezug von Bürgergeld verzichtet. Das liberale Bürgergeld stellt kein bedingungsloses Grundeinkommen dar, es schafft vielmehr zusätzliche Anreize, durch Arbeit ein höheres Netto-Einkommen zu erzielen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich L. Kolb