Frage an Heinrich Kolb von Dennis P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Kolb,
mit großem Interesse las ich den Beschluss Ihrer Partei über die Neustrukturierung des Steuersystems, Stichwort "Liberales Bürgergeld".
Was mich zu diesem Thema interessiert ist die Frage der Überprüfung der "Arbeitswilligkeit" der Empfänger. Dazu habe ich 3 Fragen:
Frage 1
Wäre Jemand, der halbtags arbeitet und mit seinem Gehalt plus Bürgergeld gut über die Runden kommt, verpflichtet, eine Vollzeitstelle anzunehmen, wenn ihm eine solche angeboten würde?
Hierbei setze ich voraus, dass der Betroffene keine anderen Verpflichtungen wie Kinder oder pflegebedürftige Angehörige hat, und dass bei einer Vollzeitstelle weniger Bürgergeld ausgezahlt werden müsste, was ja im Interesse der Allgemeinheit liegt.
Frage 2
Würde ehrenamtliches Engagement als Beschäftigung zählen? Und wenn ja, wie viele Stunden pro Woche müsste es sein, damit es zählt?
Frage 3
Soll das Finanzamt, bei welchem ja in Ihrem Konzept sämtliche Verantwortlichkeiten für Sozialleistungen gebündelt werden, die Arbeitswilligkeit überprüfen? Oder braucht es dafür doch noch die ArGen?
Mit freundlichen Grüßen
Dennis Pachernegg
Sehr geehrter Herr Pachernegg,
haben Sie herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 14. Oktober 2008, das ich gerne beantworten will.
Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich mit der Forderung nach einem bedarfsorientierten Bürgergeld für diejenigen Bürger ein, die trotz aller Anstrengung kein oder kein ausreichendes Einkommen erzielen. Hierbei wird ein nicht Existenz sichernder Lohn durch das Bürgergeld ergänzt. Je höher das Einkommen ist, desto niedriger soll das Bürgergeld ausfallen. Anknüpfungspunkt für die Gewährung eines Zuschusses ist nicht die Art der Beschäftigung, sondern vielmehr die Bedürftigkeit. Diese wird durch die Aufnahme von Erwerbstätigkeit gemindert und kann im besten Falle ganz entfallen. Entscheidend ist, dass ein zusätzlicher Anreiz gegeben wird, selbständig für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen statt auf staatliche Unterhaltsleistungen angewiesen zu sein. Besteht die Möglichkeit einer Vollzeitbeschäftigung, so ist diese auch wahrzunehmen. Ist nur eine Teilzeitbeschäftigung möglich, sei es aus persönlichen Gründen oder wegen der Situation am Arbeitsmarkt, kommt ergänzend die Inanspruchnahme von Bürgergeld in Betracht.
Der Anspruch auf Bürgergeld ist grundsätzlich auch nicht durch die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgeschlossen. Auch hier gilt: maßgeblich ist das Vorliegen der Bedürftigkeit. Dem Ehrenamt, das in unserer Gesellschaft eine große Bedeutung hat, immanent ist in der Regel die Unentgeltlichkeit: Wer ehrenamtliche Aufgaben wahrnimmt, erzielt keine Einnahmen, die auf einen etwaigen Bürgergeldanspruch angerechnet werden müssten. Die Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung, sich Arbeit zu suchen. Ein dauerhafter Bezug von Bürgergeld bei bestehender Arbeitsmöglichkeit ist nicht vorgesehen.
Bei Vorliegen der Bedürftigkeit und Nachweis der Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme wird das Bürgergeld vom Finanzamt ausgezahlt bzw. verrechnet. Während das Finanzamt damit Ansprechpartner für die Bürgergeldzahlung ist, sind Arbeitsvermittlung und soziale Betreuung von Langzeitarbeitslosen Aufgabe der Kommunen.
Mit dem Liberalen Bürgergeldkonzept hat die FDP Vorschläge für einen grundsätzlichen Systemwechsel hin zu einer konsequenten Besteuerung nach Leistungsfähigkeit mit dem Ziel vorgelegt, den Bürgern ein höheres, adäquates Nettoeinkommen zu belassen. Die weiteren Arbeiten an dem liberalen Bürgergeldkonzept werden sich an dieser Zielsetzung orientieren, das gilt auch für viele Detailfragen.
Ihre Fragen konnte ich hoffentlich hinlänglich beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich L. Kolb