Frage an Heinrich Kolb von Jürgen H. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Kolb,
Ihr Fraktionskollege Niebel hat auf eine Frage von Herrn Rotluff geantwortet, und das hat mich ziemlich verblüfft. Obwohl in Ihrer Fraktion mitunter zu hören war: „Wir nehmen das Problem ernst“, spricht er von „privilegierenden Rentenanwartschaften nach dem Fremdrentengesetz“ und „einer rentenrechtlich realistischeren Anspruchsberechnung“, die das RÜG bereitstellen solle. Außerdem behauptet er, daß das BSG sowie das BVerfG die Annullierung bestehender FRG-Anwartschaften von DDR-Altübersiedlern und deren Neubewertung nach RÜG angeblich „nicht beanstandet“ hätten.
Diese Aussagen sind nicht haltbar, und er weiß das auch. Und zwar aus einem (vorwiegend einseitig geführten) Briefwechsel aus dem Jahre 2007.
Wenn im Zusammenhang mit den Begriffen FRG und RÜG überhaupt von einer Privilegierung gesprochen werden kann, dann gebührt dieses Attribut dem RÜG, denn hier ist unter Art. 3 die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung festgelegt (AAÜG). Ein Höchstmaß an Privilegierung liegt in den Modellen, in denen seitens der Versicherten keine eigenen Beiträge in die DDR-Kassen zu zahlen waren. Gem. AAÜG werden die in der DDR erzielten Einkommen voll zugrunde gelegt, und zwar bis zu der Höhe, wo die bundesdeutsche Bemessungsgrenze Einhalt gebietet.
Und die DDR-Flüchtlinge? Die hatten solcherart Systemen nicht angehört. Und wenn doch, dann hätten die bundesdeutschen Behörden diese in den damaligen Eingliederungsverfahren ohnehin nicht berücksichtigt. Stattdessen wurden sie im FRG eingegliedert. Ihnen wurde eine fiktive Erwerbsbiografie zugeordnet, die sich an ihrer Tätigkeit in der DDR und dem Durchschnittseinkommen ihrer westdeutschen Berufskollegen orientiert. Wer wird nun eigentlich privilegiert?
Soviel ich weiß, gibt es eine aktuelle Beschlußempfehlung des Pet.ausschusses zu diesem Thema. Würden Sie bitte mitteilen, welche Auffassung Ihre Fraktion dazu einnehmen wird?
Mit freundlichem Gruß, J.H.
Sehr geehrter Herr Holdefleiß,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11. Oktober 2008 betreffend die Umstellung vom Fremdrentengesetz auf das SGB VI.
Ich kann Ihre Verärgerung über die gegenwärtige rentenrechtliche Behandlung der Übersiedler aus der Zeit vor 1990 nachvollziehen. Die Umstellung vom Fremdrentenrecht auf das SGB VI, das sich wiederum auf Beitragszeiten in der ehemaligen DDR bezieht, stellt viele Übersiedler schlechter als sie es eigentlich verdient haben. Die FDP-Bundestagsfraktion hat daher nun einen Antrag in den Bundestag eingebracht, mit dem dieses Problem beseitigt wird (BT-Drs. 16/11236).
Personen, die aus der DDR in die Bundesrepublik ausreisen wollten und daher einen Ausreiseantrag gestellt hatten, durften keine Rentenzahlung in der DDR erwarten. Einige zahlten aus diesem Grund und weil sie nicht das marode Wirtschafts- und Sozialsystem der DDR stützen wollten, nicht in die Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) ein. Seit 1996 wird für diesen Personenkreis aber nicht mehr das Fremdrentengesetz angewandt, wodurch fehlende Einzahlungen in die FZR, die bis dahin unerheblich geblieben waren, nun Renten mindernde Auswirkungen haben. Die Betroffenen in der Folge heute beziehen eine geringere Rente als solche Versicherte, die in die FZR eingezahlt haben. Dieses Ergebnis ist nicht wünschenswert, da den Betroffenen durch die Rechtsumstellung ihre Rentenanwartschaften mit rückwirkender Gesetzgebung verringert wurden. Würde man generell zum Fremdrentenrecht zurückkehren, würde dies viele Übersiedler schlechter stellen, die von einer tatsächlichen Berücksichtigung ihrer DDR-Erwerbsbiographien im Rahmen des SGB VI profitieren. Ein Wahlrecht zwischen dem FRG und dem SGB VI ist wiederum auch nicht möglich. Denn damit würden die Übersiedler besser gestellt, als wenn das ursprüngliche FRG einfach weitergegolten hätte.
Die von der Rechtsumstellung betroffenen Übersiedler sollen daher die Möglichkeit zur Nachzahlung ihrer FZR-Beiträge erhalten. So können sie die Fehlbeträge in der Rente ausgleichen, die ihnen durch die Nicht-Einzahlung in die FZR heute entstehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich L. Kolb