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Frage von André M. •

Frage an Heinrich Kolb von André M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Dr. Kolb,

können Sie als sozialpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion mir bestätigen und mit Zahlen belegen, daß der Satz "Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt" sachlich falsch ist?

Wenn dem nicht so ist, wenn der Satz also sachlich richtig ist, können Sie mir dann erläutern, warum der von Ihrer Partei gestellte Bundeswirtschaftsminister auf eine Änderung des ursprünglichen Entwurfs des Armuts- und Reichtumsberichtes insistierte, bei der der Satz herausgestrichen wurde? Verschließt die FDP dort die Augen vor einer (besonders vor der Wahl) unangenehmen Wahrheit?

Mit freundlichen Grüßen,
André Meyer

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Meyer,

vielen Dank für Ihre Email vom 11. März zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.

„Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher.“ Dass diese Aussage nicht stimmt, haben Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die Ende Oktober 2012 veröffentlicht wurden, ergeben. Insoweit wurde die bereits zuvor an die Öffentlichkeit gelangte Entwurfs-Fassung des Armuts- und Reichtumsberichts lediglich an die neue Datenlage angepasst. Die Daten zeigen, dass die Einkommensschere seit 2006 nicht weiter auseinander gegangen ist; im Gegenteil, sie hat sich sogar leicht geschlossen. Auch eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung bestätigt, dass die Einkommensungleichheit zwar zwischen 1999 und 2005 deutlich gestiegen ist, sich seitdem aber stabilisiert hat.
Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung macht dies und die gute wirtschaftliche Lage in Deutschland deutlich: In den Jahren 2007 bis 2011 reduzierte sich die Langzeitarbeitslosigkeit um über 40 %. Die Zahl der Hilfebedürftigen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist um 800.000 zurückgegangen, die Zahl der Kinder unter 15 Jahren in Haushalten, die Hartz-IV-Leistungen beziehen, ist um 270.000 gesunken.
Auch die Armutsgefährdungsquote ist in den letzten Jahren nahezu konstant geblieben und liegt - je nach Datenquelle - zwischen 14 und 16%. Diese Zahl sagt jedoch nichts über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Menschen aus, da sie selbst bei steigenden Einkommen konstant sein kann. Dabei hat sich die Einkommenssituation in den letzten Jahren auch verbessert: Die real verfügbaren Einkommen sind im Schnitt um 1 % pro Jahr gestiegen, mehr als doppelt so stark wie im Durchschnitt der davor liegenden 15 Jahre. Von dieser Steigerung profitieren auch die weniger gut verdienenden Menschen.
Der Wohlstand hat insgesamt für alle zugenommen - gerade im Vergleich zu Zeiten der rot-grünen Koalition. Die Kritiker stört aber auch weniger Armut und Reichtum selbst, sie stören sich an einer vermeintlich ungerechten Verteilung. Sie reden daher von fehlender sozialer Gerechtigkeit. Doch fehlt diese wirklich, wenn die hohen Einkommen auch die größten Abgabenlasten zu tragen haben? Die oberen 10 % der Einkommen erbringen beispielsweise die Hälfte der Einkommenssteuereinnahmen, die oberen 50 % sogar fast die gesamten Einnahmen.
Für uns ist daher nicht noch mehr Umverteilung der Weg zu mehr Gerechtigkeit. Für uns steht die Chancengerechtigkeit im Mittelpunkt. Jeder soll die Chance haben, etwas aus seinem Leben zu machen. Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass sozialer Aufstieg möglich wird. Hier zeigt der Armuts- und Reichtumsbericht, dass durchaus Handlungsbedarf besteht.
Die soziale Durchlässigkeit im deutschen Bildungssystem muss sich erhöhen. Um hier mehr zu erreichen, hat die schwarz-gelbe Koalition die Investitionen in Bildung und Forschung um insgesamt 13 Mrd. Euro deutlich erhöht. Die Ausgaben für Bildung und Forschung liegen 2013 damit 40 % über dem Niveau von Rot-Grün 2005.
Bildung und berufliche Qualifikation sind der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit. Die Bedeutung eines gut funktionierenden Arbeitsmarktes zur Vermeidung von Armutsrisiken kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Langzeitarbeitslosigkeit ist eine der gravierendsten Ursachen von Armut. Jeder muss die Möglichkeit auf einen Weg zurück in Arbeit haben. Die Erfolge der schwarz-gelben Koalition bei der Wiedereingliederung von Arbeitslosen sind unbestreitbar. Es gibt weniger Arbeitslose als noch vor fünf Jahren, insbesondere weniger Langzeitarbeitslose und wir verzeichnen die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Dieser Erfolg geht auch nicht, wie von den Kritikern oft behauptet, auf Kosten „normaler“ Arbeitsplätze.
Der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten ist zwar von 2000 bis 2007 von 20 auf 24% gestiegen, seitdem aber wieder auf 23 % gesunken. Der Anteil der atypischen Beschäftigten liegt seit 2005 konstant bei etwa 25 %. Von einem Anstieg kann keine Rede sein. Der Aufbau einfacher Arbeitsplätze im „Niedriglohnsektor“ schlägt sich damit in zusätzlicher Beschäftigung und besseren Beschäftigungschancen vor allem für viele Menschen ohne jede berufliche Qualifikation nieder. So kann Armut am Wirksamsten verhindert werden.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort meine Position näher gebracht zu haben.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Heinrich L. Kolb