Frage an Heinrich Kolb von Thorsten W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Kolb,
würden Sie bitte Ihre grundsätzliche Einstellung zum Euro Rettungsschirm darlegen? Für eine darüber hinausgehende Kommentierung der demoskopisch völlig eindeutigen Analysen zur Mehrheitsmeinung der Deutschen Bevölkerung hierzu wäre ich Ihnen sehr dankbar!
Mit freundlichen Grüßen.
Ihr
Dr. Thorsten Wenzel
Sehr geehrter Herr Wenzel,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne ausführlich beantworten will.
Die Staatsschuldenkrise in Europa stellt die Europäische Union vor ihre bislang schwierigste Aufgabe. Die FDP stellt sich dieser Aufgabe von Beginn an mit der nötigen Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern in Deutschland, aber auch gegenüber dem europäischen Einigungsprozess und der EU insgesamt.
Entgegen der häufig verwendeten Wortwahl geht es derzeit nicht um eine Krise des Euro. Der Wert unserer gemeinsamen Währung ist ungeachtet der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise sehr stabil. Es handelt sich vielmehr um Finanzierungskrisen in einigen Mitgliedstaaten der Eurozone. Aufgrund der inzwischen verbreitet hohen Schuldenquoten von deutlich über 60% des jährlichen Bruttoinlandsproduktes und zum Teil erheblichen Wachstumsproblemen fürchten viele Experten die Gefahr einer „Ansteckung“ anderer Länder der Eurozone. Daher muss die Politik auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen für die betroffenen Länder finden und das Vertrauen der Finanzmärkte insgesamt wiederherstellen.
Es sind zwei Entscheidungen zu unterscheiden. Der Beschluss vom 28. September 2011 war die notwendige Zwischenlösung zur Stabilisierung des Euro. Sie rundet die Entscheidungen seit Mai 2010 ab, mit denen Irland und Portugal sichtbar stabilisiert wurden und nun auch der nötige Anpassungsdruck auf Griechenland wirksam wurde. Auch Skeptiker der damaligen Einführung des EFSF haben sich deshalb von der positiven Wirkung des EFSF überzeugen lassen.
Im zweiten Schritt gilt es nun, den ESM als dauerhaften Stabilitätsmechanismus einzurichten. Um seine Ausgestaltung wird gerungen. Die deutsche Regierung kämpft europaweit um klare Kriterien und unmissverständliche Sanktionsregularien. Die FDP kämpft darum in der Koalition und den Gremien des Deutschen Bundestages. Aus meiner Sicht muss aber klar sein, dass es nicht fortgesetzte Hilfen für ein Land geben darf, falls sich herausstellen sollte, dass dieses seine Schulden nicht aus eigener Kraft wird zurückzahlen können. Es darf nicht dazu kommen, dass ein insolventes Land dauerhaft von der internationalen Gemeinschaft finanziell unterhalten wird. Hier kommt der Schuldentragfähigkeitsanalyse des Internationalen Währungsfonds eine entscheidende Bedeutung zu.
Der Bundeswirtschaftsminister hat in der aktuellen Debatte richtigerweise die Möglichkeit einer geordneten Insolvenz Griechenlands angesprochen und dafür die notwendigen Instrumente zu schaffen. Nichts anderes ist mit der Einführung des dauerhaften Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM als zwingend vorgeschriebene Bedingung vorgesehen.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat ein Maximum an parlamentarischer Entscheidung durchgesetzt. Alle Entscheidungen des ESM, die das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages berühren, sind durch einen strikten Parlamentsvorbehalt abgesichert worden und damit demokratisch legitimiert.
Die Erweiterung des Rettungsschirms und der Ausbau und die Flexibilisierung seiner Instrumente sind eine deutliche Verbesserung des Status Quo. Durch die Volumenausweitung können wir weiterhin ein Triple-A-Rating für die ursprüngliche Summe des Rettungsschirms darstellen. Der Bundesfinanzminister hat mehrfach klargemacht, dass der deutsche Anteil von 221 Mrd. Euro auf keinen Fall überschritten wird.
Ebenso wenig wie Blankoschecks darf es eine grundsätzliche Verweigerung geben. Sie wäre das Ende unserer - bisher trotz allem sehr stabilen - Währung und auch des europäischen Gedankens, der mehr für Frieden und Wohlstand in unserer Welt gebracht hat als jede andere internationale Bewegung. Das darf bei aller verständlichen Verärgerung über den Missbrauch der internationalen Zusammenarbeit - und vielleicht mag man es auch Missbrauch unserer Solidarität nennen - nicht vergessen werden. Und weil bei aller Sensibilität der Finanzmärkte Risiko und Lasten gerecht verteilt sein müssen, setzt sich die FDP für eine angemessene Beteiligung privater Gläubiger im Falle einer Staatsinsolvenz ein. Hierfür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, von denen es gilt, die für den Steuerzahler Bestmögliche zu ermitteln und einzusetzen.
Viele Wortmeldungen der letzten Wochen beweisen, wie groß und verbreitet die Sorgen sind. Als Abgeordneter muss ich das berücksichtigen und dennoch klaren Kopf behalten, um mit dieser wohl historischen Situation umzugehen. Erst im Nachhinein, mit Abstand und dem Wissen, wie sich die Geschichte weiterentwickelt hat, wird man wirklich wissen, ob die Entscheidung richtig war.
Ich bin ein überzeugter Europäer, wie alle Kollegen in unserer Fraktion, und ich glaube daran, dass wir mit dieser Entscheidung und der weitgehend geschlossenen Haltung der Fraktion unserer Verantwortung als Abgeordnete des Deutschen Bundestages gegenüber dem deutschen Volk gerecht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich L. Kolb