Frage an Heinrich Kolb von Rüdiger G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kolb,
in der aktuellen Debatte über den Fachkräftemangel wird über das Potential älterer Arbeitsloser Fachkräfte überhaupt nicht gesprochen.
Eine Zuwanderung nach einem Punkte System wie in z.b. in Kanada kann aber nur dann erfolgen wenn in der Wirtschaft auch endlich die Entlassung älterer Mitarbeiter und deren Ersatz durch jüngere aufhört (Alt und teuer raus, Jung und billig rein).
Falls ein Kontingent an Zuwanderung für eine bestimmte Qualifikation eröffnet wird, dann muss auch ein Budget aus der Wirtschaft und der Bundesanstalt für Arbeit für die Qualifizierung von Arbeitnehmern, die älter als 55 Jahre sind, bereitgestellt werden.
Das Ziel muss dann sein das 60% der inländischen Fachkräfte im Alter zwischen 55 und 65 beschäftigt sind.
Was ist Ihre Meinung zu meinen Forderungen?
Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Gruhle
Sehr geehrter Herr Gruhle,
vielen Dank für Ihre Email vom 18. Oktober 2010 bei abgeordnetenwatch.de mit der Frage nach dem Konzept der FDP gegen einen Fachkräftemangel in Deutschland.
Ich möchte Ihnen in einem Punkt widersprechen - bei der Debatte um den akuten und bevorstehenden Fachkräftemangel haben wir in der politischen Debatte immer wieder klar gemacht, dass wir eine ausgewogene Gesamtstrategie brauchen. Dazu gehört zum einen die Aktivierung des in Deutschland noch nicht ausreichend genutzten inländischen Fachkräftepersonals, zum anderen eine ausgewogene gesteuerte Zuwanderung.
Beim ersten Schritt gibt es drei Gruppen, die in Deutschland noch stärker für den Arbeitsmarkt aktiviert werden müssen. Das sind Migranten, die bereits in Deutschland leben, deren Bildungsabschlüsse aber bisher nicht ausreichend anerkannt werden, Frauen, insbesondere Mütter, und ältere Arbeitnehmer. Dazu muss die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse unbürokratischer und schneller gehandhabt werden und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - die heute nach wie vor faktisch primär Frauen betrifft - muss verbessert werden. Aber auch im Bereich Bildung und berufliche Bildung muss noch einiges geschehen. Hier sind Politik und Wirtschaft gleichermaßen gefordert.
Gerade angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland besteht auch gar keine Notwendigkeit für eine Quote für ältere Arbeitnehmer. Viele Unternehmen stellen sich jetzt schon darauf ein, dass ein Großteil ihrer Belegschaft in den nächsten Jahren altern wird. Hier wird nicht nur in die betriebliche Infrastruktur, sondern gerade auch in die Weiterbildung der Mitarbeiter investiert. Eine hohe Quote an Beschäftigung älterer Menschen ist auch gerade das Ziel dieser Bundesregierung, nicht zuletzt angesichts der längeren Lebensarbeitszeit. Hier haben wir aber schon viel erreicht.
Zudem ist auch kein „Kontingent an Zuwanderung“ geplant. Nach dem liberalen Zuwanderungsmodell soll sich die Zuwanderung nach der Qualifikation der potentiellen Zuwanderer bemessen.
Deutschland muss ein Instrument bekommen, um flexibel auf die Entwicklungen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt reagieren zu können. Die Zuwanderung sollte nach einem speziellen Auswahlverfahren mit Punktesystem gesteuert werden. Ausländer, die in Deutschland arbeiten wollen, müssen in einem solchen Verfahren ihre Qualifikation und ihre Integrationsfähigkeit nachweisen. Das Auswahlverfahren zielt in erster Linie auf hoch qualifizierte Arbeitnehmer verschiedenster Berufe, von denen ein Beitrag zur wirtschaftlichen Fortentwicklung unseres Landes zu erwarten ist. Aber auch Arbeitnehmer aus anderen Kategorien haben unter weiteren Voraussetzungen eine Chance auf eine Zuwanderung, wenn der Arbeitsmarkt dies speziell erfordert. Das System gilt für diejenigen Ausländer, die nicht vorrangigen Zugangsregelungen nach europäischem Recht unterliegen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort meine Position näher gebracht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich L. Kolb