Frage an Heinrich Kolb von Frank N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Werter Herr Dr. Heinrich Leonhard Kolb!
Ich möchte Ihnen eine Frage zum Wahlrecht stellen.
Das jetzige Wahlrecht hat doch zwei Listen, die Erst und dann die Zweitstimme. Das Problem dabei ist doch das die Parteien "dikatorisch" die Kanditaten den Volk vorschreiben und so gut wie keinen Einfluss haben welche Kanditaten dann auch in den Bundestag/Landtag usw. kommen. Es sei denn die Partei haben weniger als 5 %. Die Kanditaten, welche vorn auf den Listen stehen, werden auch immer in die einzelen Kammern kommen, auch wenn das Volk es nicht will.
Meine Frage an Sie, was werden Sie und Ihre Partei tun, das dieses Spitzenpoliker freundliches Wahlrecht abgeschafft wird? Und vor allen den Wahlbrechtigten die Möglichkeit im Wahlrecht geben die vom Volk gewollten und gewünschten Politiker wählen zu können?
Wären Direktwahlen nicht besser und demokratischer?
Viele Grüße
Frank Neumann
Sehr geehrter Herr Neumann,
vielen Dank für Ihre Email über abgeordnetenwatch.de bezüglich unseres Wahlrechts.
In unserem aktuellen Wahlrecht hat jeder Wähler die Möglichkeit, mit seiner Erststimme den Kandidaten aus seinem Wahlkreis zu bestimmen, der ihn als Direktkandidaten in Berlin vertreten soll. Dies geschieht unabhängig davon, ob der Direktkandidat überhaupt auf der Landesliste der entsprechenden Partei steht und wenn ja, auf welchem Platz.
Zudem hat sich die FDP dafür eingesetzt, dass in den meisten Bundesländern bei der Kommunalwahl durch die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens jeder Bürger die Möglichkeit hat, maximalen Einfluss auf die Zusammensetzung der kommunalen Vertretungen zu nehmen, so z.B. in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Ich denke jedoch nicht, dass sich ein solches System auf Landes- oder Bundesebene sinnvoll umsetzen ließe. Schon heute dauern die Auszählungen in den Kommunen bis zu einer Woche, bevor ein amtliches Endergebnis feststeht. Die Stimmzettel sind bei den Kommunalwahlen in Frankfurt schon über einen Quadratmeter groß.
Vor allem aber glaube ich, dass ein solches System zu Lasten kleinerer Wahlkreise und unbekannter Kandidaten ginge. Hat der Wähler bei den Kommunalwahlen zumindest theoretisch die Möglichkeit, alle Kandidaten zu kennen, so ist es doch relativ unwahrscheinlich, dass ein Wähler aus Heppenheim jeden Kandidaten aus Kassel oder Wolfshagen kennt und sich aktiv für oder gegen einen dieser Kandidaten entscheiden kann. So wäre zu erwarten, dass jeder Wähler tendenziell Kandidaten aus seiner Region oder seinem Wahlkreis wählen würde, damit in Berlin primär diese Interessen vertreten würden.
Ein klassisches Mehrheitswahlrecht, dass nur Direktkandidaten aus einem Wahlkreis entsendet, geht klassischerweise immer zu Gunsten der großen Parteien. Unabhängig von meinem eigenen parteipolitischen Hintergrund glaube ich nicht, dass es für unsere Demokratie gut wäre, wenn die Gesetzgebung und parlamentarische Diskussion nur noch von zwei großen Parteien bestritten würde.
Daher ist unser Wahlrecht zumindest in dieser Hinsicht meiner Meinung nach die bestmögliche Alternative. Unser repräsentatives System hat sich in sechzig Jahren Bundesrepublik gut bewährt und für stabile politische Verhältnisse gesorgt.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Heinrich L. Kolb