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Heinrich Kolb
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Frage von Gerhard F. •

Frage an Heinrich Kolb von Gerhard F. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Kolb,

über „Abgeordnetenwatch“ hatte ich Sie vor über einem Monat um Erläuterungen dazu gebeten, wie das von Ihnen angestrebte einheitliche deutsche Rentenrecht konkret aussehen soll. Ihre Antwort steht noch aus. Allerdings ist inzwischen in der Mitteldeutschen Zeitung unter dem 6. April 2010 ( http://www.mz-web.de/artikel?id=1269291669078 ) ein Interview erschienen. Sie wurden dort gefragt: Kann man nicht „den Rentenwert Ost auf den Rentenwert West anheben, so wie das der DGB fordert?“ Sie haben geantwortet, das ginge nicht. „Das würde die Rentenkasse pro Jahr rund sechs Milliarden Euro zusätzlich kosten. Ein solcher Vorschlag ist vollkommen unrealistisch.“
Auch in dem erwähnten Interview haben Sie nicht erklärt, wie das von Ihnen und Ihrer Partei zu Recht eingeforderte einheitliche deutsche Rentenrecht konkret ausgestaltet werden soll. Sollen sich für die Rentenempfänger im Beitrittsgebiet die langjährig erlittenen Nachteile weiter fortsetzen? Nach dem Hitlerkrieg wurde Deutschland durch die Schaffung der Bundesrepublik geteilt. Ostdeutschland wurde dem Machtbereich der Sowjetunion überlassen. Es mussten Reparationen geleistet werden. Die Bevölkerung hatte die Folgen des kalten Krieges mit Embargo-Maßnahmen bis zum Jahr 1989 zu ertragen. Der Lebensstandard war im Osten negativ beeinflusst. Für die heutige Rentnergeneration haben sich Nachteile bis zum heutigen Tag fortgesetzt. Welche Rolle spielt die Würdigung der historischen Entwicklungen bei den Überlegungen der FDP zum einheitlichen Rentenrecht? Sollte nicht das im Vordergrund stehen, was politisch und rechtlich geboten ist? Wenn das Gebotene wegen der Kassenlage nicht realisierbar scheint, sollte dann nicht offen dargelegt werden, wer welche Nachteile tragen soll und warum?
Für eine konkrete, gründliche Antwort dankt im Voraus – Gerhard Fröhlich

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Fröhlich!

Bitte entschuldigen Sie die späte Antwort. Wir sind erst aufgrund einer aktiven Prüfung unseres Konto bei Abgeordnetenwatch auf Ihre Nachfrage gestoßen. Im März war das aus irgend einem Grund „durchgegangen“.

Die FDP hat mit dem Antrag „Für ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West“ (nachzulesen in der Bundestags-Drucksache 16/9482) als erste Partei ein Konzept zur Vereinheitlichung des deutschen Rentenrechts vorgelegt. Wir wollen - 20 Jahre nach der Deutschen Einheit - ein in ganz Deutschland einheitliches Rentenrecht mit einheitlichem Rentenwert, einheitlichen Entgeltpunkten und einheitlicher Beitragsbemessungsgrenze. Die Einführung erfolgt stichtagsbezogen. Ab diesem Stichtag sollen sich alle Renten entsprechend der Entwicklung des einheitlichen Rentenwertes anpassen. Jeder Euro Rentenbeitrag soll nach Vorstellung der FDP ab dem Stichtag im ganzen Bundesgebiet den gleichen Rentenanspruch erbringen. Damit würde die Einheit auch im Rentenrecht endlich erreicht.

Nach dem geltenden Recht wird das Arbeitsentgelt zur Berechnung der Entgeltpunkte in den neuen Ländern um etwa 18 Prozent höher bewertet. Das heißt, in Ost-Deutschland ergibt ein entsprechend niedrigeres Gehalt bereits einen Entgeltpunkt, genauer einen Entgeltpunkt (Ost). Die Entgeltpunkte (Ost) werden zur Berechnung der Rente anschließend mit dem etwa 12 Prozent geringeren Rentenwert (Ost) multipliziert. Im Saldo ergibt sich derzeit daraus ein leichter Vorteil für die Versicherten in den neuen Ländern.

Betrachtet man die tatsächlich gezahlten Renten in Ost- und Westdeutschland ergibt sich folgendes Bild:

Die Durchschnittsrente Ost beträgt aktuell für Männer 1.078 Euro und 967 Euro für Männer im Westen. Ein entscheidender Grund dafür ist, dass in der Rentenversicherung in den alten Bundesländern eine große Zahl so genannter Kleinstrenten eingerechnet wird. Diese Renten, die sich oft nur auf zwei-, drei- oder vierhundert Euro belaufen, stammen von Versicherten, die nur eine kurze Zeit in der Rentenversicherung Mitglied waren und danach entweder selbstständig wurden oder in ein anderes Versorgungssystem wechselten, beispielsweise in den Beamtenstatus. Diese Versicherten weisen in der Rentenversicherungsstatistik geringe Renten auf, sind aber im Alter tatsächlich gut versorgt. Sie reduzieren mit ihren geringen Renten die Durchschnittsrente in den alten Bundesländern erheblich. Solche Minirenten gibt es dagegen in den neuen Bundesländern bis heute kaum. Grund dafür ist, dass in der ehemaligen DDR alle Menschen im Angestelltenstatus arbeiteten und daher auch komplett in der Deutschen Rentenversicherung erfasst werden.

Das unterschiedliche Rentenrecht führt dazu, dass sich Versicherte in Ost und West gleichermaßen benachteiligt fühlen: Die Versicherten im Osten wegen des um 12 Prozent niedrigeren Rentenwertes Ost, die Versicherten im Westen wegen der Hochwertung der im Osten gezahlten Beiträge um 18 Prozent. Die FDP-Bundestagsfraktion ist der Meinung, dass bald 20 Jahre nach der Wiedervereinigung der Zeitpunkt gekommen ist, die Unterschiede der Rentenberechnung in Ost und West aufzuheben. In den ersten Jahren nach der Einheit waren die unterschiedlichen Rentenberechnungssysteme notwendig und sinnvoll, um so die Renten in den neuen Ländern von ihrem zunächst niedrigen Niveau schnell anheben zu können.

Seit 2004 holt der Rentenwert Ost gegenüber dem Rentenwert West kaum auf. Die mit Unterschieden im Lohnniveau begründete Differenzierung bei der Rentenberechnung wird zunehmend willkürlich. Eine Lösung ist mit dem bestehenden Rentenrecht nicht zu erwarten.

Wie hoch nach der Vereinheitlichung des Rechts dann die Eckrente ausfällt, kann nicht so einfach beziffert werden. Fest steht jedoch, dass jeder Euro Rentenbeitrag ab dem Stichtag im ganzen Bundesgebiet den gleichen Rentenanspruch erbringt. Auch die jährlichen Rentenanpassungen erfolgen nach einem einheitlichen Prozentsatz. Die zum Stichtag der Umstellung bestehenden Rentenansprüche bzw. -anwartschaften in Ost und West bleiben in ihrem Wert erhalten.

Die „Kassenlage“, die Sie am Ende erwähnen, darf nach meiner Überzeugung keine Rolle spielen. Und auch die „Würdigung historischer Entwicklungen“ in der Zeit der Teilung Deutschlands darf den Staat im Jahre 2010 nicht mehr von der Gleichbehandlung aller Bürgerinnen und Bürger abhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich L. Kolb
Stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagfraktion