Frage an Heinrich Kolb von Zinon H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Kolb,
ich wende mich an sie, weil sie ein Fachsprecher der FDP für Arbeit sind.
Ich bin ein junger politisch-interessierter Mensch, der der FDP durchaus nahe steht, da ich viele Inhalte Ihrer Partei gut finde. Womit ich aber überhaupt nicht einverstanden bin, ist die Wirtschaftspolitik der FDP. Ich habe mittlerweile mehrere Infopakete Ihrer Partei sowie einen Teil der Wiesbadener Grundsätze gelesen. Im Bezug auf die Wirtschaft habe ich folgenden Eindruck bekommen:
1. Der Markt ist heilig
2. Der Markt hat immer Recht
3. Wenn der Markt mal doch mal falsch liegt, tritt Punkt 1 in Kraft.
Meine erste Frage: Trifft diese Einschätzung zu?
Die FDP ist ja immer für Privatisierung und gegen Verstaatlichung. Dann schauen sie sich bitte folgendes Beispiel an.
Die Wasserversorgung der bolivianischen Stadt Cochabamba war staatlich geregelt, bis sie privatisiert und an die Firma Augas del Tunari verkauft wurde, welche nichts anderes war als eine Tochtergesellschaft des US-Wasserkonzerns Bechtel. Bechtel hat nach der Privatisierung sofort die Preise verdreifacht und sogar Regenwasser besteuert, weil die damalige Regierung in Bolivien sämtliche Wasserrechte an Bechtel abgetreten hat!
Als die Menschen sich nicht mal mehr ihr eigenes Trinkwasser leisten konnten, gingen sie auf die Straße und demonstrieren für eine Rücknahme der Privatisierung; bei den Protesten kommen 7 Menschen ums Leben. Ein Jahr später verklagte Bechtel die Regierung Boliviens wegen 25 Mio. Dollar GEWINN (also nicht mal Umsatz!).
Quellen: Welt der Wunder Heft 09/2008 und http://de.wikipedia.org/wiki/Bechtel_Corporation
Meine zweite Frage: Wie stehen Sie und Ihre Partei zu einer solch unmenschlichen Form der Privatisierung und wie will die FDP dafür sorgen, dass so etwas ähnliches in Deutschland auch bei steigender Privatisierung nie möglich wird?
Ich erwarte dankend Ihre Antwort
Sehr geehrter Herr Heck,
es freut mich, dass Sie sich mit dem FDP Programm auseinandergesetzt haben.
Ich muss leider zugeben, dass viele Mitbürgerinnen und Mitbürger die FDP hinsichtlich des Stellenwertes eines freien Marktes so einschätzen, wie Sie es auch tun. Aber ich kann Ihnen versichern, dass diese Einschätzung nicht den Tatsachen entspricht.
Die FDP tritt für einen starken Staat ein. Ein starker Staat ist ein schlanker Staat und kein aufgeblähtes bürokratisches Monster. Der Staat ist auch nicht der bessere Unternehmer.
Natürlich ist der Markt nicht heilig und hat auch nicht immer Recht. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise zu allererst die staatlichen Banken und mit ihren zuständigen die Aufsichts- und Regulierungsstellen versagt haben.
Wir fordern vernünftige Rahmenbedingungen, die der Staat vorzugeben hat und in deren Schranken der Markt zu agieren hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass die soziale Marktwirtschaft trotz vorhandener Schwachpunkte, allen anderen Wirtschaftssystemen überlegen ist. Die soziale Marktwirtschaft wird sich durchsetzen gegen einen hemmungslosen und regelfreien Kasino-Kapitalismus ebenso wie gegen die bürokratische Staats- und Planwirtschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich L. Kolb