Frage an Heinrich J. Dingeldein von Jochen S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Dingeldein,
immer mehr Kinder sind betroffen von der Trennung ihrer Eltern. Meist wird einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Dieser kann dann mit den Kindern an jede beliebige Stelle der Welt ziehen, sei sie auch noch so weit vom bisherigen Lebensmittelpunkt und dem zweiten Elternteil entfernt. Aktiv an die Erziehung der Kinder kann er sich nicht beteiligen. Die Zeit der Kinder mit dem anderen Elternteil ist meist auf jedes zweite Wochenende beschränkt. Zur Trennung der Eltern kommt die familiengerichtlich abgeurteilte Trennung der Kinder von einem Elternteil. Das Umgangsrecht ist im Gesetz enthalten und Urteile zum Recht auf Umgang der Kinder mit dem anderen Elternteil gibt es viele. In Deutschland existieren aber keine Instrumente ein solches Umgangsrecht gegen den Willen des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten durchzusetzen.
Die in der Regel praktizierte familiengerichtliche Trennung der Elternteile in einen betreuenden mit allen Rechten und einen nicht betreuenden nur mit der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt entspricht in keiner Weise dem Wohl der Kinder. Söhne und Töchter brauchen auch nach der Trennung der Eltern weiter Vater und Mutter.
Hier gibt es andere Ansätze. Im Cochemer Modell überträgt das Familiengericht keinem der Elternteile das Aufenthaltsbestimmungs- oder gar das gesamte Sorgerecht. Die Eltern werden vom Gericht verpflichtet, auch nach der Trennung gemeinsam für die Erziehung der Kinder einzustehen. Alle Entscheidungen zu Aufenthalts- und Umgangsregelungen werden nicht durch Urteil, sondern durch Vereinbarung der Eltern getroffen.
Welche Änderungen im Kindschaftsrecht wollen Sie unterstützen, damit in Zukunft bei Trennung der Eltern den Kindern beide Elternteile erhalten bleiben?
Jochen Simon
Sehr geehrter Herr Simon,
die Antwort auf Ihre Fragen fallen mir nicht schwer. Zum liberalen Selbstverständnis gehört, dass einvernehmliche Lösungen bessere sind als im Streit gerichtlich festgelegte. So sollte tatsächlich das gemeinsame Sorge- und Aufenthaltsrecht als regelmäßig festzustellende Regelung ins Gesetz aufgenommen werden, verbunden mit der Verpflichtung, im Interesse des Kindeswohls g e m e i n s a m die Besuchs- und Aufenthaltszeiten festzulegen. Abweichende Beschlüsse müssen im nachgewiesenen persönlichen Verhalten eines der Elternteile begründet sein. Nur eine in diesem Geiste verfasste Regelung entspricht unserem Bild eines verantwortungsvollen Umgangs von Menschen miteinander, auch unter den sich weiter entwickelnden sozialen Verhältnissen, in denen die "normale" Ehe nicht mehr zu den unbestrittenen Leitbildern gehört.
Mit freundlichem Gruß
Heinrich J. Dingeldein