Frage an Heiko Melzer von Johanna S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Melzer,
ich hätte ein paar Fragen an Sie bezüglich der Berliner Wasserbetriebe, die laut verschiedener Umfragen (RBB, Morgenpost, BZ) mehr als Zweidrittel der Berliner Bevölkerung wieder in kommunaler Hand haben möchten.
1. Was unternehmen Sie bzw. Ihre Partei, um die nun offengelegten Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe kritisch zu prüfen und gegebenenfalls anzufechten?
2. Wie werden sich unter den Bedingungen des Vertrages bis zum Jahr 2028 die Trink- und Abwasserpreise für die Verbraucher und Gewerbetreibenden entwickeln? Und wie hoch werden Ihren Berechnungen zufolge sich bis dahin die Gewinnausschüttungen für die privaten Anteilseigner entwickeln?
3. Wie Ihnen auch bekannt ist, beschränkt sich eine Preiskontrolle des Bundeskartellamts lediglich auf die Trinkwasserpreise, nicht jedoch auf die Abwasserpreise, die in Berlin besonders hoch ausfallen. Meine Frage an Sie lautet: Welche Möglichkeiten halten Sie für zielführend, um die Abwasserpreise einer Kontrolle zu unterziehen?
4. Was halten Sie von der Idee, über die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Investitionsbanken einen Rekommunalisierungsfond aufzulegen, der aus zinsgünstigen Mitteln der Europäischen Zentralbank finanziert wird? Auf diesem Wege werden die öffentlichen Haushalte im Falle eines Rückkaufs der BWB nicht unmittelbar belastet.
Vielen Dank für Ihre Mühe im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Johanna Söhnigen
Sehr geehrte Frau Söhnigen,
vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de zur Zukunft der Berliner Wasserbetriebe. Gerne beantworte ich Ihre Fragen, dabei greife ich die einzelnen Fragen in einer zusammenfassenden Antwort auf.
Der erfolgreiche Volksentscheid und das daraus resultierende „Gesetz für die vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe“ hat dazu geführt, dass der Senat aus SPD und Linke sämtliche Unterlagen und Akten zum Vorgang des Verkaufs und der nachgehenden Verträge offen legen musste. Bis Mitte März des nächsten Jahres läuft für den Senat die Frist, diesem Gesetz Folge zu leisten. Alle danach veröffentlichten Verträge und vertragsgleichen Unterlagen wären für unwirksam zu erklären. Die Verträge wurden in den vergangenen knapp 10 Jahren von SPD und Linke mit allen Konsequenzen (Gewinngarantien und angemessene Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals der BWB) fortgeschrieben. Eine Anfechtung scheint wenig erfolgversprechend.
Unsere - seit ein paar Jahren erhobene - Forderung nach einer Neuverhandlung der Verträge mit den privaten Anteilseignern (eine mögliche Absenkung der Garantien/Verzinsung inbegriffen) wurde immer und immer wieder mit den Stimmen von SPD und Linke abgelehnt. Und dies, obwohl die privaten Anteilseigner Gesprächsbereitschaft signalisiert haben. Da ich in der CDU-Fraktion als wirtschaftspolitischer Sprecher mit zuständig war, können Sie diese Forderungen gut auf dem Internetangebot der CDU-Fraktion ( http://www.cdu-fraktion.berlin.de ) rekonstruieren.
Zu Ihrer konkreten Frage der Entwicklung sowohl der Wassertarife, als auch der Gewinnausschüttungen, kann ich aufgrund der Langfristigkeit keine Näherungswerte prognostizieren. Was wahrscheinlich ist, ist dass sich die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals im Bereich der bisherigen Höhe von rund 7 Prozent jährlich bewegen wird.
Die Abwasserpreise werden, da die Wasserpreise kommunalen Gebühren entsprechen, durch die Kommunalaufsicht geprüft. Dies wollen wir beibehalten. Wir sprechen uns überdies - auch im Zuge der Einigung von Bundesregierung und Bundestag - gegen eine Regulierung und für eine Prüfung durch die Kartellbehörden aus.
Ob zinsgünstig oder nicht - wir stehen auf dem Standpunkt, dass sich Berlin eine Verstaatlichung eventuell zum Verkauf angebotener Anteile des privaten Investors RWE für 800 - 1.000 Mio. Euro nicht leisten kann. Denn dadurch würde jeder Berliner Bürger (ob über Investitionsbank o.ä., was einem weiteren Schattenhaushalt gleichkäme) mit zusätzlich 330 Euro verschuldet, während der Gesamtschuldenstand in Berlin bereits bei 62 Mrd. Euro liegt. Hinzu käme, dass die Entlastung bei gerade einmal 2-3 Euro pro Jahr und Bürger liegen würde. Denn eine Berechnung, bei der keine Rendite gezahlt würde, kann sich weder eine Kommune (Berlin erhält derzeit 210 Mio. Euro aus dem Wassergeschäft jährlich), noch eine Bank, die Kunden gegenüber in der Pflicht ist, leisten.
Der Senat hat uns im Wirtschaftsausschuss informiert, dass es seit Juni 2011 keine weiteren Gespräche oder Verhandlungen mit RWE den Rückkauf der Anteile betreffend gegeben hat. Das Projekt liegt also auf Eis.
Wir stellen dem ideologischen Vorschlag der Verstaatlichung das Konzept der Nachverhandlung der Verträge und einen teilweisen verzicht des Landes auf Einnahmen aus dem Grundwasserentnahmeentgelt (jährlich 54 Mio. Euro für Berlin) entgegen. Damit könnte der Preis sukzessive um bis zu 25 Prozent gesenkt werden.
Eine Verdrängung privater Investoren halten wir aber auch aus einem anderen Grund für falsch: Die privaten Anteilseigner leisten derzeit die gesamten Investitionen inklusive know-how im internationalen Wassergeschäft. Berlin kann darauf nicht verzichten.
Ein Mehr an Anteilen ohne eine Strategie oder ein verändertes unternehmerisches Ziel halten wir für verfehlt.
Ich hoffe, Ihnen damit die Position der CDU und meine persönliche Meinung deutlich gemacht zu haben. Gerne stehe ich Ihnen bei Rückfragen zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Ihr
Heiko Melzer