Frage an Heike Roocks von Joachim B. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Roocks,
vor 30 Jahren, nämlich in 1977, habe ich eine Wohnung im Kiesselbachweg, also in der Neubausiedlung "Tegelsbarg" gekauft, in der ich dann auch mehr als 20 Jahre gewohnt habe. Grund für diese Entscheidung war die schöne Lage der Siedlung und die Tatsache, dass man dort aus "Steilshoop" gelernt zu haben schien.
Leider geht es in den letzten etwa 10 Jahren mit dieser Siedlung bergab:
Es begann mit dem Verfall der Norbert-Schmid-Platzes, der als Treffpunkt für die Bürger gedacht war, dies aber mehr nur noch für angetrunkene Jugendliche war, die die Umgebung mit Gaffiti beschmierten. Die auf dem Platz stehenden Kunstwerke wurden nicht erhalten, sondern schließlich abgebaut.
Die im Eigentum der Saga und anderer sozialer Wohnungsunternehmen stehenden Klinkerhäuser bekamen eine Thermohaut und sehen nun aus wie DDR-Plattenbauten, die man nur noch an der unterschiedlichen Farbe der Balkone auseinanderhalten kann. Unter den Bewohnern bzw. Mietern nimmt die Zahl der sozialen Grenzfälle zu.
Die ernst zu nehmenden Ladengeschäfte sind weggegangen. Es gibt, von einem Perser (Obst und Gemüse) abgesehen, nur noch die Billiganbieter "Penny" und ALDI mit ihren verpackten Waren, keine Frischware mehr. Es gibt auch kein Restaurant mehr.
Folgerichtig wurde die ganze Siedlung im Mietenspiegel um eine Stufe herabgestuft, wodurch ich - da ich meine Wohnung heute vermiete - viel Geld verloren habe.
Und auf die Straße traut sich abends kaum noch einer. Die Straßen sind also "tot".
Was tut Ihre Fraktion, den Niedergang der Siedlung aufzuhalten und nach Möglichkeit zu kompensieren? Haben Sie den "Tegelsbarg" vergessen oder gar "aufgegeben"?
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Bluhm
Sehr geehrter Herr Bluhm ,
vielen Dank für Ihre Frage. Wir LINKE sind allerdings noch keine Fraktion, sondern wir wollen jetzt zum ersten Mal in Bürgerschaft und Bezirkversammlung gewählt werden, um dann Fraktionen zu gründen und Politik mitzugestalten.
Zu Ihrer Frage, zur Situation am Tegelsbarg:
Der Norbert-Schmid-Platz sollte vielleicht einmal in der Theorie der Planer (die wahrscheinlich nicht am Tegelsbarg wohnen) ein Treffpunkt werden, ist es aber leider nie geworden. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer dieser Gründe ist das jetzt abgerissene "Kunstwerk". Zu dieser Art von Kunst konnten die Menschen hier nie eine Beziehung finden. Kunstwerke in Vierteln wie dem Tegelsbarg sollten auch den hier wohnenden Menschen wirklich etwas bedeuten, und nicht nur den elitären Künstlern und Kunstexperten, die nicht hier vor Ort, sondern in anderen, privilegierten Vierteln wohnen. Und da sind wir schon an einem Punkt, der für die Linke sehr wichtig ist: der Mitbestimmung der Bürger. Wir sind für Mitbestimmung, für die Verbindlichkeit von Volksentscheiden. Und wenn Kunstwerke für öffentliche Plätze ausgesucht werden, dann nur mit Beteiligung der dort wohnenden Bürger.
Sie erwähnen die nicht mehr vorhandenen Ladengeschäfte. Das hängt mit den sinkenden Einkommen der arbeitenden Bevölkerung zusammen, aber auch mit der Stadtplanung in Poppenbüttel. Diese Stadtplanung hat sich voll den Interessen des AEZ untergeordnet. Das AEZ wird ständig weiterentwickelt und vergrößert, soll immer mehr Kunden anlocken. Dabei bleiben dann kleine, lokale Läden (Tegelsbarg, Sasel, Poppenbüttler Markt, Hummelsbüttel) auf der Strecke. Wir LINKE treten für eine andere Stadtteil-Entwicklung ein. Wir fordern einen Stopp des AEZ-Ausbaus, sind für eine Förderung und Erhaltung lokaler Geschäfte zur Versorgung der Bevölkerung.
Herr Bluhm, sie schreiben, unter den Bewohnern nimmt die Zahl der "sozialen Grenzfälle" zu. Das ist sicher nicht nur am Tegelsbarg so. Ganz allgemein hat sich die Einkommens-Situation für viele Menschen in den letzten Jahren verschlechtert. Von Arbeitslosigkeit, Lohn- und Sozialabbau, Hartz IV, fehlenden Rentenanpassungen betroffene Menschen haben immer weniger Geld zum Leben. Deshalb fordern wir LINKE: die Abschaffung der Hartz-Gesetze, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes für alle, die Rücknahme der Rente mit 67 und eine deutliche Rentenerhöhung, und eine Steuerreform zugunsten der Armen und Beschäftigten, zu Lasten der großen Unternehmen und der Vermögenden.
Weiterhin schreiben Sie: "Und auf die Straße traut sich abends kaum noch einer...". Genau so ist es. Das Angebot für sinnvolle Freizeitgestaltung ist gleich null. In Poppenbüttel ist alles auf das AEZ konzentriert; Kino, Schwimmbad, Jugendeinrichtungen - Fehlanzeige. Der Hamburger CDU-Senat hat sich um die Entwicklung von Vierteln wie dem Tegelsbarg anscheinend keine Gedanken gemacht. Lieber hat sich der Senat um seine prestigeträchtigen "Leuchtturm-Projekte" wir Elb-Philharmonie und U4 gekümmert. Für soziale Projekte war dann kein Geld mehr da (bzw. wurden diese zusammengekürzt)..
Da wollen wir LINKE etwas ändern, wir glauben nicht, dass die Bewohner am Tegelsbarg die Elbphilharmonie und die überteuerte U4 brauchen. Hier wird vor Ort etwas gebraucht. Deshalb fordert die LINKE ein Bürgerhaus, eine Begegnungsstätte, ein kommunales Stadtteilzentrum für den Tegelsbarg. Wir LINKE verstehen uns als Lobby für die Menschen, die bisher keine haben, gerade auch für die Menschen in den vernachlässigten Stadtteilen. Den Tegelsbarg und die dort lebenden Menschen "aufzugeben" oder "zu vergessen" kommt für uns jedenfalls nicht infrage.
Mit freundlichem Gruß
Heike Roocks