Frage an Heike Maas von Gabriela S. bezüglich Wirtschaft
Ihren diversen Antworten entnehme ich, dass Sie eine Verfechterin unseres bisherigen Wirtschaftswachstumssystem sind. Wie lange glauben Sie, lässt sich dieses System noch fortsetzen? Haben Sie sich mit den Thesen der Postwachstumsökonomie beschäftigt?
Ihre Erwartungen an die positiven Effekte eines Freihandelsabkommens zwischen EU und USA teile ich nicht. Erfahrungswerte liefert das 20 Jahre alte Abkommen NAFTA zwischen Mexiko, USA und Kanada. Sind Ihnen die Auswirkungen geläufig?
Sind Sie nicht eher auch der Meinung, dass wir uns statt für Freihandelsabkommen für einen fairen und gerechten Welthandel politisch stark machen sollten, zumal das gut zum "C" im Namen der Partei passen würde, die Sie repräsentieren?
Sehr geehrte Frau Schimmer-Göresz,
in verschiedenen Bereichen sind mir in der Vergangenheit „die Grenzen des Wachstums“ oder besser unseres heutigen Wachstums bewusst geworden. Mein Lebensmotto hab ich von meinem Opa, einem Bauern aus dem Sudentenland, geerbt, der in der Stube den Spruch hängen hatte: Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen. Es ist meine Überzeugung, dass wir stets auf der Suche sein müssen nach der langfristigen Balance zwischen dem menschlichen Dasein und unserer natürlichen Umwelt. Maßhalten und Lernen, auch einmal verzichten zu können, ist dabei etwas, was ich auch meinen Kindern mit auf den Weg geben will. Christliche Tugenden. Bei uns zu Hause gibt es zum Beispiel schon lange nicht mehr jeden Tag Fleisch und wenn, dann kaufen wir’s bei Freunden, die mit viel Engagement und Mühe einen Bio-Bauernhof bewirtschaften.
Wenn es im Volksmund heißt „die Bäume wachsen nicht in den Himmel“, ist da altbekannt, was uns die Glücksforschung heute auch beweisen kann: materielles Wachstum steigert schon lange nicht mehr unser Wohlbefinden. Einfach mehr ist nicht besser. Rein materielles Wachstum ist endlich und spätestens nachdem Hunger und ähnliche Grundbedürfnisse befriedigt sind, ist das Bruttoinlandsprodukt keine wirklich strategische Kennzahl mehr.
Andererseits ist Entdecken, Wachstum und Fortschritt etwas Urmenschliches. Die Geschichte der Menschheit ist eine Wachstumsgeschichte. Das lässt sich nicht einfach durch ideal-politische Dogmen über Bord werfen. Unsere heutige Herausforderung ist es also eine Wirtschaftsordnung zu schaffen, die quantitatives in qualitatives Wachstum wandelt. Wie schon bei Ludwig Erhards sozialer Marktwirtschaft müssen wir den Menschen in den Vordergrund stellen. Wirtschaft nicht um des Wirtschaftens willen, sondern als Mittel zum Zweck: Wohlstand für alle. Beziehungsweise heute eben treffender ausgedrückt: Wohlbefinden für alle. Altmodisch könnte man es auch Glück nennen.
In jüngerer Vergangenheit sind solche Überlegungen mehr und mehr ins Blickfeld der politischen Auseinandersetzung gerückt. Angefangen mit dem Human Development Index der UNO über die von Nicolas Sarkozy beauftragten Studie Measurement of Economic Performance and Social Progress von Joseph E. Stiglitz und Amartya Sen über die Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität des Deutschen Bundestages während der bürgerlich-liberalen Koalition bis zum Wohlstandsquintett von Meinhard Miegel.
Da ist nach meinem Dafürhalten der richtige Weg eingeschlagen und den gilt es weiter zu gestalten. Die europäische Politik kann da sicher vielfältige Impulse geben, wie zum Beispiel durch die Veröffentlichung von Indikatoren – was wir messen, bestimmt was wir tun – oder konkreter zum Beispiel in der Förderung einer europäischen Energiewende oder bei der Finanzmarktregulierung.
Auch das Freihandelsabkommen mit den USA hat da fraglos Bedeutung, indem wir dabei keinesfalls Qualität für Quantität opfern dürfen. Wie ich bereits in anderen Antworten hier ausgeführt habe, setzt sich die CSU-Gruppe in Europäischen Parlament bereits jetzt ein, dass der Grundsatz des Verhandlungsmandats der Europäischen Kommission, keine gegeben Schutzstandards zu schmälern, Gültigkeit behält. Freier Handel ist gut, weil dadurch Produktivität und Effektivität gesteigert wird und ein größerer Wirtschaftsraum mit einer gemeinsamen Wertebasis nach innen wie nach außen stabiler ist. Andererseits bedeuten Verbraucher-, Umwelt-, Tier-, Arbeits- oder Datenschutz Lebensqualität. Davon wollen wir mehr und nicht weniger. Dafür werde ich mich auch weiterhin einsetzen.
Die soziale Marktwirtschaft ist das richtige System für die Zukunft – da haben Sie recht, dass ich eine Verfechterin unseres bisherigen Wirtschaftssystems bin. Die entscheidende Herausforderung der nächsten Jahre wird es sein, die Rahmenordnung der Wirtschaft richtig zu setzen, für Entwicklung, Wachstum und Fortschritt in mehr Wohlbefinden. In diesem Sinne bin ich tatsächlich auch Befürworterin eines Wachstumssystems.
Herzliche Grüße
Heike Maas