Frage an Heike Maas von Julia S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kollmer,
inwiefern bietet das geplante Freihandelsabkommen mit den USA "große Chancen für unseren Wohlstand"? Wer genau ist "uns"?
In einer von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie ist die Rede von 0,5 % Wachstum in 10 Jahren, also 0,05 % pro Jahr bei einer prognostizierten Handelszunahme von 80 %. Quelle (aus ARD Monitor): https://www.youtube.com/watch?v=FJU8ApBIuN4&feature=share
Wo genau soll der Handel derart stark wachsen?
Wie soll sichergestellt werden, dass europäische Standards (z.B. beim Verbraucherschutz) nicht gesenkt werden bzw. der Steuerzahler nicht für entgangene Gewinne der Konzerne aufkommen muss, sofern die Standards beibehalten werden? Die intransparente Verhandlungsführung und die Einbeziehung von Konzernlobbyisten in die Verhandlungen finde ich äußerst beunruhigend.
Freundliche Grüße,
Julia Schnell
Sehr geehrte Frau Schnell,
von freiem Handel profitieren in der Regel alle daran beteiligten Volkswirtschaften. So hat auch die Freihandelszone des europäischen Binnenmarktes in allen Ländern der Europäischen Union zu mehr Wohlstand geführt und die Zukunftsfähigkeit unserer Wohlfahrt ist weniger abhängig von Im- und Exportgeschäften mit anderen Ländern geworden. Der freie Handel zwischen Ländern ist auch ein politisches Zeichen einer engen Partnerschaft, die entsprechend in Krisen auch enger zusammenstehen. Schließlich steckt im EU-Binnenmarkt genauso wie im Freihandelsabkommen mit den USA die Demonstration einer gemeinsamen starken Wertegemeinschaft nach innen und nach außen, nicht zuletzt als vereinter Marktmacht-Pol gegenüber z.B. China und Indien. Alleine bräuchten wir uns bald keine Gedanken mehr über Verbraucherschutzrechte etc. machen, die würden uns dann bald von Fernost diktiert werden. Alles in allem können also von einem Freihandelsabkommen mit den USA alle EU- und US-Bürger profitieren.
Neben den eben genannten strategischen Effekten prognostizieren verschiedene Institute wie ifo oder Bertelsmann-Stiftung konkret positive Wirkungen auf Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Das Münchner ifo-Institut schätzt 400.000 neue Arbeitsplätze in der EU und Potenziale für Lohnsteigerungen durch höhere Produktivität in allen EU-Ländern von 2,6 bis 9,7 Prozent (Deutschland 4,7 Prozent). Für genaue Herleitungen darf ich auf die Institute direkt verweisen. Insbesondere auf die Stellungnahme des ifo-Instituts zu dem von Ihnen angeführten ARD-Monitor-Bericht: http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/presse/ifo-Stellungnahmen/Archive/stellungnahme-02-2014-freihandel.html ; daraus zitiert „…Der Hauptautor der ifo-Studie, Prof. Felbermayr, hat in seinem Interview nicht gesagt, dass ‚das Abkommen wenig bringt’. Die Forschung des ifo Instituts kommt nicht zu diesem Ergebnis: Ein Abkommen der EU mit den USA, das den Handel so liberalisiert, wie es im Durchschnitt über die zahlreichen, bereits existierenden Abkommen beobachtet werden kann, würde das reale Pro-Kopf-Einkommen Deutschlands langfristig um beinahe 5% erhöhen. Der Beitrag des ARD stellt richtigerweise heraus, dass die in der ifo-Studie berechneten Effekte auf die Beschäftigung nicht als ‚Jobwunder’ charakterisiert werden können, wie dies in der Politik und in der Öffentlichkeit manchmal gemacht wurde. Leider bleibt unerwähnt, dass – auch wenn die Beschäftigung ‚nur’ um maximal 0,5% ansteigen würde – die Reallöhne im Durchschnitt um etwa 2% zunähmen. …“
Weiterhin stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu, sehr geehrte Frau Schnell, dass gegebene europäische Standards etwa im Verbraucher-, Umwelt-, Tier-, Arbeits- oder Datenschutz durch das Abkommen nicht gemindert werden dürfen. Dazu habe ich in meiner Antwort vom 3.5.14 auf die Frage von F. S. hier in meinem Profil auf abgeordnetenwatch.de bereits eingehender Stellung genommen und darf daher darauf verweisen.
Dass die Verhandlungsführung einer gewissen Geheimhaltung unterliegt, versteht sich aus praktischen Gründen von selbst. Um der Kommission rechtzeitig fehlende Zustimmung im Europaparlament spiegeln zu können, setzt sich die CSU-Europagruppe für eine bessere Unterrichtung der Abgeordneten durch die Kommission ein.
Schließlich sind direkt in die Verhandlungen keine Lobbyisten mit einbezogen. Den Verhandlungsführern legen Wirtschaftsvertreter genauso wie Nicht-Regierungsorganisationen und Verbände ihre jeweiligen Standpunkte dar. Es ist wie bei jedem politischen Prozess ein wichtiger Bestandteil der Entscheidungsfindung, dass sich die verschiedenen gesellschaftlichen Interessenvertretungen Gehör verschaffen. Maßgeblich für die Verhandlungsführer wird aber in erster Linie sein, ein Verhandlungsergebnis zu erreichen, dass bei den notwendigen Abstimmungen etwa im Europäischen Parlament, im Europäischen Ministerrat und im Deutschen Bundestag mehrheitsfähig ist.
Herzliche Grüße vom Rosenheimer Land nach München
Heike Maas