Frage an Heike Maas von Uschi S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Maas,
ich habe Ihre These zu ttip gelesen und frage Sie in diesem Zusammenhang. Wie kann sicher gestellt werden, dass wie Sie sagten, unsere hohen Standartds nicht gefährtet werden, da doch alles in Geheimkonferenzen ausgehandelt wird. In der SZ vom 22.4.14 gab es einen -Artikel "Das Grundrecht auf ungestörte Investitionen" in dem auf die privaten Schiedsgerichte hingewiesen wird an die sich die Konzerne wenden werden um gleiche Standards wie in USA zu erreichen und somit unsere Gesetze als Investitionshindernisse auszuschalten.
Danke und freundliche Grüße
Uschi Seib-Kundinger
Sehr geehrte Frau Seib-Kundinger,
es sind tatsächliche viele Sicherungsmechanismen, die mich sehr zuversichtlich machen, dass im Freihandelsabkommen mit den USA keine unserer Schutzrechte geschliffen werden – was mir wirklich ein Herzensanliegen ist. Zunächst einmal ist es eine Prämisse des Verhandlungsmandats der Europäischen Kommission, dass für die Zustimmung keine Standards geopfert werden dürfen. Zum zweiten pocht darauf auch die überwiegende Mehrheit der EU-Parlamentarier. Die CSU-Europagruppe hat und wird die regelmäßigen öffentlichen und informellen Verlautbarungen des Handelsressorts der Kommission im Auge behalten und bei Zweifeln unmittelbar mit der Kommission in Dialog treten. Den hochqualifizierten Kommissionsbeamten ist es durchweg bewusst, dass sie einem kritischen Parlament ein zustimmungsfähiges Verhandlungsergebnis vorlegen müssen. Schließlich erfordert das TTIP die formelle Zustimmung des Europäischen Parlaments. Wenn gegebene Standards etwa im Verbraucher-, Umwelt-, Tier-, Arbeits- oder Datenschutz durch das Abkommen gemindert werden sollen, wird die CSU-Gruppe und aus heutiger Sicht die Mehrheit des Europäischen Parlaments nicht zustimmen und das TTIP zur Nachverhandlung zurückweisen – schlimmstenfalls ganz ablehnen. Mehr Reißleinen bräuchte es eigentlich gar nicht. Tatsächlich müssen dann aber auch noch der Europäische Rat und dazu voraussichtlich auch noch der Deutsche Bundestag zustimmen.
Das für das TTIP angedachte Schiedsgerichtsverfahren zum Investitionsschutz kommt dann zum Tragen, wenn künftige Gesetzesänderungen den Regeln des Freihandelsabkommens zuwiderlaufen. Bestehendes nationales oder europäisches Recht kann damit nicht verändert oder umgangen werden. Es können ebenso nur Angelegenheiten behandelt werden, die im TTIP geregelt sind. Schiedsgerichte sind ein in Europa und Deutschland lange bewährtes Verfahren. Die Schiedsrichter müssen von den Parteien einhellig bestellt werden. Idealerweise wird ein System mit drei Schiedsrichtern bestimmt, die mehrheitlich entscheiden müssen. Da im Ablauf zwischen US-Gerichtsverfahren und kontinental-europäischen Verfahren ganz erhebliche, grundsätzliche Unterschiede bestehen, erscheint ein neutrales Forum zur Streitbelegung „ohne Heimvorteil“ sehr angeraten. Da in den USA im Gegensatz zu Deutschland z.B. jede Partei unabhängig vom Ausgang des Verfahrens die Prozess- und Anwaltskosten und alle anderen Auslagen z.B. für Sachverständige selber tragen muss, bietet ein Schiedsverfahren gerade europäischen Mittelständlern bei Investitionsstreitigkeiten mit amerikanischen öffentlichen Körperschaften eher Chancen als Hemmnisse.
Erlauben Sie mir noch zwei ergänzende Bemerkungen generell zum TTIP: 1.) Auch beim europäischen Binnenmarkt gab es unglaublich viele Unkenrufer. Denen zum Trotz ist das „Freihandelsabkommen“ des EU-Binnenmarkts ein Erfolgsmodell, das sowohl den Wohlstand als auch die Schutzstandards in ganz Europa gesteigert hat. – 2.) Heute ist der richtige Zeitpunkt Kompromisse für den Freihandel mit einem Land wie den USA zu suchen, mit dem wir gemeinsame Werte teilen, bevor wir uns morgen von aufstrebenden Handelsmächten, die ganz andere Wertvorstellungen haben – wie z.B. China –, die Standards diktieren lassen müssen, wenn wir Märkte für unsere Produkte suchen.
Sehr geehrte Frau Seib-Kundinger, sollte ich ins Parlament kommen, versprechen ich Ihnen beim TTIP skeptisch aber konstruktiv zu sein. Gesunde Lebensmittel, Datenschutz, unabhängige Daseinsvorsorge, Umweltschutz sind mir ausgesprochen wichtig. Da darf es keine faulen Kompromisse geben. Notfalls müssen die Verhandlungen ganz oder zum Teil noch einmal unter anderen Vorzeichen neu angepackt werden.
Herzliche Grüße
Heike Maas