Frage an Heide Rühle von Marcus J. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Rühle,
ich habe eine Frage zum Thema "Fluggastrechte". Im März 2005 (!) flog ich mit meiner Frau von China via Paris nach Stuttgart. Am Flughafen Charles de Gaulle kam es seitens des Bodenpersonals zu deutlichen Verstößen gegen die Fluggastrechte bei Verspätungen. So verweigerte die Air France z.B. Telefongespräche nach Deutschland, obwohl wir als informierte EU-Bürger auf unsere Rechte hinwiesen. Da mehrere ältere Reisende hilflos waren und wir das Verhalten der Airline unglaublich fanden haben wir uns beim zuständigen Luftfahrtbundesamt beschwert. Dies bestätigte die Verstöße und teilte uns mit, dass der Fall nach Frankreich an die zuständige Aufsichtsstelle weitergegeben worden sei. Seitdem haben wir nichts mehr gehört !!! Im Januar 2007 habe ich mich deswegen an die Europäische Komission gewandt (European Commission
Directorate-General for Energy and Transport
B-1049 Brussels). Keinerlei Reaktion ! Mehr geht es nicht um den Einzelfall sondern um den Eindruck, dass es in der EU Fluggastrechte gibt, die aber bei Verweigerung derselben keinerlei Reaktion der beauftragten Behörden zeitigen.
Warum werden Beschwerden gegen Verstöße dieser Art nicht so bearbeitet, dass der EU-Bürger die Resonanz auf seine Beschwerde überhaupt erhält ? 2,5 Jahre sind m.E. zu lang.
Sehr geehrter Herr Jenke,
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich kann Ihren Ärger verstehen. 2,5 Jahre lang auf eine Antwort warten zu müssen ist in der Tat zu lang. Was Sie hier ansprechen, ist eines der großen Probleme in der EU: Rechte und Gesetze auf der einen Seite, Umsetzung, Durchsetzung und Einhaltung dieser Rechte auf der anderen - so auch im Fall der Fluggastrechte. Diese wurden durch die im Februar 2005 in Kraft getretene Richtlinie EG 261/2004 erheblich gestärkt und ausgeweitet. (Über Ihre Rechte diesbezüglich können Sie sich unter http://ec.europa.eu/transport/air_portal/passenger_rights/index_en.htm informieren.) An der konsequenten Umsetzung und Einhaltung dieser Gesetze hapert es jedoch noch. Auch die Kommission hat das erkannt - nicht zuletzt wegen der vielen Beschwerden, die bei ihr eingegangen sind. Deshalb hat sie im April 2007 eine Mitteilung herausgegeben, die die bisherige Umsetzung der Richtlinie und die damit verbundenen Probleme reflektiert. Sie finden diese auch auf der Kommissionshomepage unter http://ec.europa.eu/transport/air_portal/passenger_rights/doc/2007/com_2007_0168_en.pdf . Darin bestätigt die Kommission, dass Verbesserungen nötig sind. Sie sieht im Wesentlichen zwei Gründe für Schwierigkeiten in der Praxis mit dieser Richtlinie: Zum einen ist der Gesetzestext an einigen Stellen unklar formuliert; die größeren Probleme resultieren jedoch aus der unzureichenden Durchsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten und die unzureichende Bestrafung derjenigen Unternehmen, die sich nicht an die Gesetze halten. Die Kommission kündigte im April 2007 in einer Mitteilung an, nochmals intensive Gespräche mit den Mitgliedstaaten und den "National Enforcement Bodies" zu führen und zudem Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn in sechs Monaten keine Besserung in Sicht sei. Gegen Großbritannien läuft bereits ein solches Verfahren. Weiterhin wird die Wichtigkeit der Koordinierung der verschiedenen nationalen Durchsetzungsbehörden hervorgehoben. Es ist angedacht, einen Verhaltenskodex zu entwickeln, in dem beispielsweise auch eine maximale "Antwort-Zeitspanne" festgeschrieben werden könnte.
Ihre Entscheidung, sich mit Ihrem Anliegen zunächst an das Luftfahrtbundesamt und dann an die Kommission zu wenden, war durchaus richtig. Das Europäische Parlament kann als Gesetzgeber allerdings für die Einhaltung der Gesetze wenig tun - hier sind die nationalstaatlichen Exekutivorgane und die Kommission in ihrer Aufgabe als "Hüterin der Gesetze" gefordert. Ich kann Ihnen dagegen empfehlen, sich auch an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden (www.ombudsman.europa.eu), wo Sie direkt Beschwerde einreichen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Heide Rühle