Frage an Heide Rühle von Jens M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Rühle,
ich wende mich an Sie, weil Sie Mitglied im Binnenmarkt-Ausschuß sind. Meine Frage betrifft die steuerliche Absetzbarkeit von grenzüberschreitenden Spenden für gemeinnützige Zwecke, wovon insbesondere die Niederlassungsfreiheit der betroffenen Spendenempfänger betroffen ist.
Die Absetzbarkeit solcher Spenden war bis zum Persche-Urteil des EuGH gar nicht möglich. Als Reaktion auf dieses Urteil wurden die entsprechenden Gesetze (EStG und Abgabenordnung) äußerst geändert, so daß eine Absetzbarkeit nun pro forma gegeben ist. Allerdings verlangt § 51 Absatz 2 AO einen Inlandsbezug: "Werden die steuerbegünstigten Zwecke im Ausland verwirklicht, setzt die Steuervergünstigung voraus, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert werden oder die Tätigkeit der Körperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beitragen kann."
Solch eine Voraussetzung besteht nicht, wenn die steuerbegünstigten Zwecke "im Inland", also von einer inländischen Organisation verwirklicht werden. Praktisch dürfte die Absetzbarkeit daher häufig leerlaufen.
Für praktisch besonders bedeutsam halte ich dieses Problem im Bereich der Förderung freien Wissens und freier Software. Hier werden häufig Projekte mit weltweit verteilten Ehrenamtlichen durch eine Trägerorganisation gefördert. Der Nutzen kommt der Allgemeinheit in ganz Europa zugute. Es wäre unzumutbar, müßten hier lokale Organisationen in jedem Mitgliedsstaat gegründet werden.
Halten Sie die neue Regelung für vereinbar mit Unionsrecht? Sehr interessiert wäre ich auch, falls Sie Berichte o.ä. der Kommission kennen.
Auch das Verwaltungsverfahren ist unnötig kompliziert. Halten Sie es für sinnvoll, daß das Parlament hier die Initiative ergreift, um eine Harmonisierung und gegenseitige Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu erreichen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage.
In der Tat hat der Europäische Gerichtshof mit dem Persche-Urteil festgelegt, dass grenzüberschreitende Spenden von der Steuer abgesetzt werden können, wenn die Empfänger-Einrichtung, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässig ist, die nach deutschen Recht geltenden Kriterien für eine Gemeinnützigkeit erfüllt. Die Nachweispflicht obliegt dabei aber dem Spender und nicht den jeweiligen Finanzbehörden in den Mitgliedsstaaten, was die faktische steuerliche Absetzung von grenzüberschreitenden Spenden erheblich erschweren dürfte.
Andere Bedingungen als die Erfüllung der nach deutschem Recht geltenden Kriterien für die Gemeinnützigkeit hat der EuGH nicht genannt.
Ich bin keine Juristin und kann Ihnen daher nicht eindeutig sagen, ob § 51, Abs. 2 der deutschen Abgabenordnung gegen Unionsrecht verstößt. Ich habe mir aber erlaubt, in diesem Fall eine Anfrage an die Kommission zu stellen.
Meine Anfragen, unter anderem auch diese, finden sie auf der Homepage des Europäischen Parlaments unter folgendem Link:
http://www.europarl.europa.eu/sidesSearch/search.do?type=QP&language=DE&term=7&author=4294 Sollte die Anfrage noch nicht auf der Homepage des Parlaments erscheinen, finden Sie diese zwischenzeitlich unter folgendem Link auf meiner Homepage: http://www.heide-ruehle.de/heide/fe/pub/de/dct/763
Sie fragen, ob ich eine Parlamentsinitiative für eine Harmonisierung für sinnvoll halten würde. Grundsätzlich ist so, dass das Parlament kein Initiativrecht hat. Das Initiativrecht ist gemäß den Europäischen Verträgen der Kommission vorbehalten. Zudem fällt die Steuergesetzgebung in den Hoheitsbereich der Mitgliedsstaaten.
Trotzdem halte ich aufgrund der Tatsache, dass die Tätigkeit von mehr und mehr gemeinnützigen Organisationen der Allgemeinheit in ganz Europa zugute kommt, eine Harmonisierung der Kriterien für die Gemeinnützigkeit in klar definierten Bereichen für sinnvoll und begrüßenswert. Auch eine gegenseitige Anerkennung der Gemeinnützigkeit in klar definierten Bereichen wäre sinnvoll.
Aufgrund des unterschiedlichen Wohltätigkeitsbegriffes in den Mitgliedsstaaten halte ich eine Vollharmonisierung, bzw. die vorbehaltlose gegenseitige Anerkennung aller gemeinnützigen Organisationen jedoch nicht für realisierbar.
Mit freundlichen Grüßen
Heide Rühle