Frage an Heide Rühle von Dittmar S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Rühle,
Sie Europaabgeordnete der GRÜNEN.
Laut heutigen Medienberichten soll der vom Abriss bedrohte Stuttgarter Hauptbahnhof nach Expertenmeinung Weltkulturerbe der UNESCO werden. Dem SWR liegt eine entsprechende Empfehlung von Mitgliedern des Internationalen Rates für Denkmalpflege (Icomos) vor, der die UNESCO in Fragen des Weltkulturerbes berät. Die Experten richten ihren Appell (den Antrag zu stellen, den Stuttgarter Hauptbahnhof ins Weltkulturerbe aufzunehmen) auch an Sie.
Wäre der Stuttgarter Hauptbahnhof Weltkulturerbe dürften die Seitenflügel nicht für das Bahnprojekt S 21 geopfert werden.
Laut heutigem Bericht des SWR-Fernsehen denkt die Landesregierung nicht daran, einen Antrag zu stellen. Schließlich könnte Stuttgart 21 so durch die Hintertür verhindert werden.
Als Reaktion der Landesregierung durfte Herr Innenminister Rech seine Meinung hierzu kund tun. Im SWR-Fernsehen war er heute abend mit folgenden Worten zu hören: "Die Idee ihn jetzt zum Weltkulturerbe zu machen halte ich nicht für besonders originell. Es ist durchsichtig, aus welchen Gründen das geschieht".
Meine Fragen hierzu:
Wie stehen Sie zum Appell des Internationalen Denkmalrates Iconomos, den Stuttgarter Hauptbahnhof in das Weltkulturerbe aufzunehmen?
Teilen Sie die Ansicht der Regierung von Baden-Württemberg, dass es richtig und verantwortbar ist, keinen Antrag bei der Unesco-Kommission zu stellen?
Teilen Sie die Ansicht des baden-württembergischen Innenministers Rech , dass der Appell lediglich durch S21-Gegner initiiert wurde, um das Bahnprojekt durch die Hintertür zu verhindern oder sehen Sie in dem Appell eine Empfehlung von internationalen u. hochkarätigen Experten?
Was werden Sie selbst u. Ihre Partei auf Europaebene unternehmen, um den Stuttgarter Hauptbahnhof in den Rang eines Weltkulturerbes zu bringen und damit zu internationalem Ansehen zu verhelfen?
Mit freundlichen Grüßen
Dittmar Schock
Sehr geehrter Herr Schock,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich bin weder Architektin oder Historikerin, noch in meiner Arbeit im Europäischen Parlament mit derlei Fragen befasst, weswegen mir die Beantwortung schwer fiel.
Ich lehne das Projekt Stuttgart21 grundsätzlich ab, da es viel teuer ist und ein Umbau des Hauptbahnhofes keine Zeitersparnis bringt, die solch hohe Kosten rechtfertigen würden. Die im Stuttgarter Tunnelbahnhof vergrabenen Mittel werden nicht nur dem Nah- und Regionalverkehr im Land fehlen!
Gemäß den UNESCO-Richtlinien für die "Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" können lediglich die Vertragsstaaten potentielle Weltkulturgüter auf die Tentativliste(Vorschlagsliste) setzen. In Deutschland koordiniert die Kultusministerkonferenz entsprechend der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit die Vorschläge der Länder für die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt.
Ich gehe jedoch davon aus, dass das Expertengremium ICOMOS gute Gründe hat, der Bundesrepublik Deutschland eine Aufnahme des Stuttgarter Hauptbahnhofes in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes zu empfehlen und würde den Verantwortlichen in Bund und Land nahelegen, den Appell nicht ungehört verhallen zu lassen!
Das Vorschlagsrecht für ein potentielles Weltkulturerbe liegt jedoch weder bei der Europäischen Union, noch beim Europäischen Parlament oder der Europäischen Kommission, sondern ist allein Angelegenheit der Mitgliedsstaaten. Daher kann ich Ihnen in meiner Funktion als Abgeordneter des Europäischen Parlaments nicht weiterhelfen, würde Ihnen aber empfehlen, sich an die GRÜNEN im Gemeinderat der Stadt Stuttgart, sowie an die GRÜNEN im baden-württembergischen Landtag zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Heide Rühle