Frage an Heico Marschner von Joachim L. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Marschner,
wie vereinbaren Sie Ihre parallelen Mitgliedschaften bei ver.di und bei den Linken mit Ihrem Beruf als Beamter?
Bitte erläutern Sie mir, wie Sie den Spagat hinbekommen, einerseits für ver.di Kolleginnen und Kollegen auf die Straße zu bringen und für BERECHTIGTE Tarifforderungen des öffentlichen Dienstes kämpfen zu lassen obwohl die "Profiteure" dieses Arbeitskampfes in Cent und Euro gemessen die PENSIONÄRE sind? Im Weser Kurier wurden anlässlich der letzten Tarifverhandlungen einige Angestellte (es waren Kita Mitarbeiter) vorgestellt: keine(r) von denen wird eine Gehaltserhöhung erhalten, wie ein durchschnittlicher Pensionär. Wie gelingt es Ihnen, bei der BERECHTIGTEN Forderung, auch die tätigen Beamten an der Lohnentwicklung teilhaben zu lassen nicht gleichzeitig die Ungerechtigkeit anzuprangern, dass die Mehrheit aller Pensionäre, heute schon und in Zukunft noch mehr, bedingt durch die neuen Laufbahnstrukturen, in Cent und Euro sich immer weiter von den Rentnern entfernen? Können Sie sich für die Linke (meinetwegen auch für ver.di) der Forderung anschließen, dass in den kommenden Besoldungsgesetzen die Pensionssteigerung auf die für einen Rentner maximal erreichbare Rentensteigerung begrenzt wird? Ich denke, dass es in Bremen vielleicht 1000 Rentner mit Renten aus der GRV über 2000 € gibt. Davon sind dann die meisten ehemalige Stadtwerkemitarbeiter oder andere Angestellte des öD, die ja zusätzlich noch die ZÖD erhalten (bei Lehrern oder Schulpsychologen gut über 800 €). Aber nicht einmal 20 % aller anderen Rentner bekommen solche Werksrenten.
Wollen Sie, wenn Sie in die Bürgerschaft kommen, auch für die Übernahme des Abschlusses für Pensionäre sein?
Wenn Sie antworten: ich kenne alle Unterschiede zwischen den Altersversorgungssystemen! Ich kenne auch die Begründung des dbb (und anderer) bzgl Art 33 GG
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre gründliche Frage vom 21. Juli.
Gern hätte ich Ihnen früher geantwortet. Für die Wartezeit bitte ich um Entschuldigung.
Ich beschränke mich meiner Antwort auf meine Beziehungen zu Verdi im Fachbereich 9 Telekommunikation, Informationstechnologie.
Ich bin als Beamter der Deutschen Bundespost, jetzt bei der Deutschen Telekom, bewusst Mitglied in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geworden, die im Konzern sowohl die Beamten als auch die Tarifkräfte vertritt.
Es gibt noch eine andere Gewerkschaft die Interessen der Beschäftigen in den Postnachfolgeunternehmen ( Deutsche Post, Deutsche Telekom und Postbank) vertritt. Das ist die Gewerkschaft DBV - Komm, die aber häufig die Interessen der Beamten aus dem gehobenen Dienst stärker betont. Diese Gewerkschaft gehört nicht zum DGB sondern ist Mitglied im Deutschen Beamtenbund.
Der Arbeitgeber versucht natürlich diese unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen, dazu kommen häufig noch Leih und Zeitarbeitnehmer, gegeneinander auszuspielen.
Verdi hat in der Vergangenheit auch schon Beamte als Verhandlungsmasse eingesetzt.
Zum Beispiel wurde das Urlaubs – und Weihnachtsgeld, sowie zwei freie Verfügbare Arbeitszeitverkürzungstage, bei den beschäftigten Beamten gestrichen um Beschäftigung bei den Tarifkräften zu sichern.
Wir haben in den einzelnen Konzerneinheiten auch Beamte die in sich beurlaubt eine höherwertige Tätigkeit mit besserer Bezahlung als Angestellte nachgehen. Diese zur Zeit nicht aktiven Beamten, haben das aktive Streikrecht, diese Menschen unterstützen solidarisch Arbeitskampfmaßnahmen für die Tarifkräfte in dem Sie Ihr neu gewonnenes Streikrecht eifrig nutzen.
Die Verdi setzt sich sowohl im Konzern für die Interessen der Tarifkräfte ein z.B. Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, als auch für die Beamten. Aktuell Geplante Änderungen im Postpersonalrechtsgesetz, das ist die rechtliche Grundlage um Beamte in den Postnachfolgeunternehmen zu beschäftigen.
Die Tarifergebnisse für Arbeitnehmer bei der Telekom liegen im Übrigen über denen die Verdi für die Beamten im Bund und den Kommunen aushandelt, die dann um 0,2 Prozentpunkte gekürzt für die Altersvorsorge und um einen Faktor für die Postnachfolgebeamten gekürzt, auf die Beamten der Postnachfolgeunternehmen übertragen werden.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Pensionen der ehemalig aktiven Beamten stärker als die der Rentner bei den Telekom steigen. Dies ist im Allgemeinen ein großes Problem. Wir von der Linken sind im Übrigen für ein einheitliches Dienstrecht im öffentlichen Dienst und einheitlicher Bezahlung für Beamte und Nichtbeamte.
Selbstverständlich sind wir dafür, dass Renten genauso steigen wie Pensionen, insbesondere die unteren Renten müssen stärker steigen als bisher.
Vor dem Hintergrund ständig steigender privater Vermögen in Deutschland, steigen nicht die Pensionen zu stark sondern die Renten zu wenig. Der Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel hat einmal im Presseclub am einem Sonntagmittag im TV gesagt: „Die heutigen Renten haben eine reale Kaufkraft auf dem Stand von 1986“.
Eine Kürzung von Pensionen, um im Gegenzug die Renten steigen zu lassen, macht keinen Sinn, da die volkswirtschaftliche Nachfrage, vor dem Hintergrund der ständig steigenden Privatvermögen, sonst geschwächt würde.
In Zukunft müssen Altersbezüge gerade bei weniger werdenden Einzahlern, aufgrund der weiter zur erwartenden volkswirtschaftlichen Produktivitätssteigerungen steigen. Für die Waren, die mehr hergestellt werden können, würde sonst die hier für notwendige Kaufkraft fehlen.
Grundsätzlich gilt: DIE LINKE setzt sich für ein Rentensystem für alle ein, inklusive Beamter, Selbständiger und PolitikerInnen.
Ich hoffe Sie können mit meinen Ausführungen besser nachvollziehen warum ich als Beamter Mitglied bei Verdi und bei der Linken bin.
Beste Grüße
Heico Marschner