Portrait von Hedi Wegener
Hedi Wegener
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Hedi Wegener zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Wolfgang W. •

Frage an Hedi Wegener von Wolfgang W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Wegener,

ich möchte auf meine Frage vom Februar verweisen. Da nur wenige Fragen gestellt wurden, sollten Sie diese in Sekundenschnelle finden. Sie erwähnten im Abgeordnetenwatch lediglich Nebensache, dass ich meine Frage an Frau Roland gerichtet habe (war ja auch nicht anders möglich). Das ist social talk. Die mir wichtige Sachfrage ist weder hier in Abgeordnetenwatch noch postalisch beantwortet worden. Ich fand es seltsam, dass ich Ihnen meine Postadresse in Bardowick mitteilen soll, so dass Sie die Frage brieflich beantworten könnten. Warum die Unöffentlichkeit? Ein(e) Abgeordnete(r), die/der mir meine Frage nicht beantwortet, ist für mich nicht wählbar. Ich möchte Sie also noch einmal freundlich bitten dürfen.

Aus Ihrem Wahlkreis freundliche Grüße
W. Wittwer

Portrait von Hedi Wegener
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wittwer,

vielen Dank für Ihre E-Mail und die Zusendung Ihrer Kontaktdaten. Gerne beantworte ich Ihnen Ihre Frage, da sie nun mehr als ein bloßer Name in einem virtuellen Forum sind. Wenn Sie Ihre Frage schon vorher einmal mit Ihrer postalischen Adresse an uns gesendet hatten, ist diese bei uns versehentlich untergegangen. Dann bitte ich Sie um Verzeihung. Gerne stelle ich meine Antwort auch bei abgeordnetenwatch. de in das Forum. Denn ich scheue nicht im Geringsten meine Meinung öffentlich dar zu legen, wie Sie es leider missverstanden haben.

Richtig ist, dass mich täglich eine Vielzahl an Bürgeranliegen erreicht. Diese versuche ich möglichst zeitnahe zu beantwortet. Die Ausgestaltung von abgeordntenwatch.de bedingt jedoch, dass außer einem bloßen Namen nichts auf eine wirklich existierende Person hinweist. Ich denke, es ist eine Frage des höflichen Umgangs miteinander, dass Sie mir Ihre Anschrift nennen, genauso wie Sie meine sämtlichen Kontaktdaten einsehen können. Ein Fragesteller mit einer ernst gemeinten Frage sollte eigentlich kein Problem haben, mir seine Adresse oder Telefonnummer mitzuteilen, unter der ich Ihn dann vielleicht auch persönlich und unmittelbar erreichen kann.

Nun zu Ihrer Frage, warum ich am 02.02.2007 für eine Reform unseres Gesundheitswesens gestimmt habe:

Der wichtigste Punkt ist aus meiner Sicht, dass die Versicherten im Krankheitsfall eine optimale medizinische Versorgung erhalten. Vor dem In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform gab es in der Bundesrepublik eine Vielzahl von Personen, die keinen Krankenversicherungsschutz besaßen. Wir gehen davon aus, dass im März 2007 ca. 200.000 bis 300.000 Personen nicht für den Fall der Krankheit abgesichert waren. Die wirtschaftlichen Folgen für nicht abgesicherte Bürger können im Krankheitsfall verheerend sein und die Betroffenen in finanzielle Notlagen bringen oder im Extremfall sogar zur privaten Insolvenz führen. Bei Ausbruch einer Erkrankung kommen schnell finanzielle Aufwendungen zusammen, die der Einzelne allein nicht schultern kann. Wenn dieser Fall bei nicht abgesicherten Personen eintritt, wird im Zweifelsfall immer die Allgemeinheit aufkommen müssen. Genau dieses stand für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Vordergrund der Verhandlungen für die Gesundheitsreform. Dabei sind wir den mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2003 eingeschlagenen Weg weitergegangen und haben die Möglichkeiten für die Krankenkassen im Vertragswettbewerb deutlich ausgeweitet. Auch an dieser Stelle hätten wir uns gewünscht, einen größeren Schritt gehen zu können und den Krankenkassen noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Verhandlung mit der Pharmaindustrie aber auch mit anderen Leistungserbringern zu gewähren. Aber auch in diesem Punkt unterscheiden sich unsere Auffassungen teilweise sehr von denen unseres Koalitionspartners. Viele Punkte, die die Union vor drei Jahren noch verhindert hat, konnten wir jetzt durchsetzen.

Die gesetzliche Krankenversicherung ist das Herzstück unseres sozialen Sicherungssystems. Sie sorgt dafür, dass die medizinisch notwendige Versorgung bei Bedarf für alle Versicherten zur Verfügung steht. Schließlich kann Krankheit alle Menschen treffen. Wer krank wird hat unabhängig von Alter, Geschlecht oder Einkommen einen Anspruch auf eine angemessene Behandlung. Um diesen guten Zugang zu medizinischen Leistungen und die hohe Qualität unserer Gesundheitsversorgung werden wir von vielen anderen Ländern beneidet. Dies zeigt sich auch regelmäßig im direkten Vergleich mit anderen europäischen Gesundheitssystemen.

Ermöglicht wird dies alles durch die solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der individuelle Leistungsanspruch orientiert sich nicht am Einkommen oder den eingezahlten Beiträgen, sondern an der medizinischen Notwendigkeit. Die Beiträge werden dagegen nach Einkommen und Leistungsfähigkeit bemessen. Auch hinsichtlich der sozialen Umverteilung bei der Finanzierung des Gesundheitssystems belegt Deutschland regelmäßig einen der vordersten Plätze im internationalen Vergleich. Dieses gute Gesundheitssystem zu erhalten hat für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten oberste Priorität.

Trotz oder gerade wegen dieses hervorragenden Versorgungsniveaus bleibt jedoch festzuhalten, dass Reformmaßnahmen dringend erforderlich waren, um dieses Niveau auch in Zukunft halten zu können. Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst, denn wir wollen, dass auch künftigen Generationen eine ebenso gute Gesundheitsversorgung zur Verfügung steht. Wie Sie jedoch wissen, hatte unser derzeitiger Koalitionspartner grundsätzlich andere Vorstellungen über den richtigen Weg zur Reform des Gesundheitssystems als wir. Möglicherweise ist die Gesundheitspolitik sogar das Politikfeld, in dem die Unterschiede innerhalb der großen Koalition am deutlichsten sind. Gleichwohl war die Reform dringend geboten und eine Verschiebung oder gar ein Umgehen dieser Notwendigkeit verbot sich aus meiner Sicht angesichts der Verantwortung, die wir für unser Land tragen, auch wenn ein Kompromiss oft nicht einfach ist. Ich kann Ihnen versichern, dass wir es uns bei der Verhandlung der Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform nicht leicht gemacht haben. Beide Seiten haben hart um ihre Positionen gerungen. Unsere wesentlichen Ziele waren dabei:

- Die solidarische Finanzierung der GKV zu erhalten, d.h. Beitragsbemessung nach Leistungsfähigkeit.

- Die beitragsfreie Familienmitversicherung zu erhalten.

- Ein einseitiges Festschreiben des Arbeitgeberbeitrages zu verhindern, wie von der CDU/CSU gefordert.

- Die Einführung einer allgemeinen Versicherungspflicht.

- Die Teilhabe aller am medizinisch-technischen Fortschritt auch in Zukunft zu garantieren.

- Keine weitere Belastung der Patientinnen und Patienten durch Einschränkung des Leistungskataloges oder Erhöhung der Zuzahlungen.

- Beteiligung der privat Versicherten am Solidarausgleich und faire Wettbewerbsbedingungen zwischen GKV und PKV.

Nicht alle unsere Ziele konnten wir erreichen. Was wir davon jedoch erreicht haben ist:

- Die Erhaltung der solidarischen Finanzierung der GKV, d.h. Beitragsbemessung nach Leistungsfähigkeit mit Ausnahme des kassenindividuellen Zusatzbeitrags. Hier konnten wir jedoch immerhin verhindern, dass der Zusatzbeitrag grundsätzlich als Festbetrag erhoben wird. Jede Krankenkasse, die einen Zusatzbeitrag erheben muss, wird selbst entscheiden können, ob sie diesen einkommensabhängig oder in Form eines Festbetrags erhebt. Außerdem haben wir zur Vermeidung sozialer Härten darauf bestanden, dass der Zusatzbeitrag nicht mehr als ein Prozent des Haushaltseinkommens betragen darf.

- Die Erhaltung der beitragsfreien Familienmitversicherung.

- Die Verhinderung einer einseitigen Festschreibung des Arbeitgeberbeitrages. Künftig wird der gesamte Beitragssatz - für Arbeitnehmer und Arbeitgeber - gesetzlich festgelegt, wie in allen anderen Zweigen der Sozialversicherung. Damit ist klar, dass es eine einseitige Anhebung des Arbeitnehmerbeitrags nicht geben wird.

- Die Einführung einer allgemeinen Versicherungspflicht. Nichtversicherte bzw. nicht mehr Versicherte sind von dem System zu versichern, aus dem sie kamen beziehungsweise dem sie zugeordnet sind. Ehemalige PKV-Versicherte ohne Versicherungsschutz erhalten ein Rückkehrrecht zur PKV in einen Basistarif.

- Die Teilhabe aller am medizinisch-technischen Fortschritt auch in Zukunft.

- Keine weitere Belastung der Patientinnen und Patienten durch Einschränkung des Leistungskataloges oder Erhöhung der Zuzahlungen. Im Gegenteil, wir konnten die Überführung der geriatrischen Rehabilitation, der palliativmedizinischen Versorgung sowie der Mutter-/Vater-Kind-Kuren in Pflichtleistungen erreichen.

Nicht erreichen konnten wir die Beteiligung der privat Versicherten am Solidarausgleich und faire Wettbewerbsbedingungen zwischen GKV und PKV in dem Maß, in dem wir es uns gewünscht hätten. Die Verpflicht der PKV zur Einrichtung eines Basistarifs ist jedoch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ebenso die Portabilität der Altersrückstellungen, sowohl beim Wechsel innerhalb der PKV als auch beim Wechsel in die GKV. Der Basistarif beinhaltet folgende Elemente: Leistungsumfang der GKV, Kontrahierungszwang ohne individuelle Risikoprüfung und -zuschlag sowie ohne Leistungsausschluss, bezahlbare Prämien, Altersrückstellungen. Diese Maßnahmen bewirken jetzt, dass die PKV zumindest zu einem Mindestmaß an interner Solidarität gezwungen wird und diejenigen Menschen, die zum Beispiel nach jahrelanger Mitgliedschaft in der PKV ihre Beiträge vorrübergehend nicht mehr bezahlen können, ihren Versicherungsschutz nicht mehr verlieren.

Eine stärkere Beteiligung der privat Versicherten am Solidarausgleich hätten wir uns auch über die Finanzierung der von der GKV wahrgenommenen gesellschaftspolitischen Aufgaben durch einen höheren Steuerzuschuss vorstellen können. Leider hat die Union auch hier in letzter Minute einen Rückzieher gemacht. So haben wir einen in Zukunft aufwachsenden Steuerzuschuss vereinbart, mit dem der Einstieg in eine stärkere Steuerfinanzierung sichergestellt ist.
Angesichts der Fülle von Themen konnte ich leider nicht auf alle eingehen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass für mich der Erhalt unserer solidarischen Krankenversicherung, auch für die kommenden Generationen, oberste Priorität hat.

Mit freundlichen Grüßen

Hedi Wegener