Frage an Harald Wolf von Peter H. bezüglich Recht
Werter Herr Harald Wolf,
1991 hat der Bundestag die Dauer der Überprüfung von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, auf Grundlage des Stasiunterlagengesetzes, aus gutem Grund auf 15 Jahre begrenzt. Zum Rechtsstaat gehört der Rechtsgedanke der Verjährung im Strafrecht wie im Zivilrecht. Selbst die Tatbestände der gefährlichen Körperverletzung oder der schweren Freiheitsberaubung verjähren nach zehn Jahren. Bei schwerer Vergewaltigung ist die Tat ebenfalls nach zehn Jahren verjährt und darf bei einer Einstellung in den öffentlichen Dienst nicht einmal geprüft und ermittelt werden. Auch dort gibt es immer Betroffene, die diese Verjährung nicht verstehen. Der Rechtsstaat hat sie dennoch beschlossen.
Es wird überprüft ohne Verdacht, und das mindestens noch bis Ende dieses Jahres obwohl es hier in der Regel lediglich um Moral und nicht um Straftaten geht.
Ich sage: Nein denn eine weitere Verlängerung über das Jahr 2011 hinaus verstößt deutlich gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da jede Überprüfung einen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Individuums darstellt und dieser Eingriff nun nach 20 Jahren für Verhaltensweisen, die noch viel länger zurückliegen können, nicht mehr zu rechtfertigen ist. Denn wer überprüft die "Informellen Staatsschützer" die das Verbot der NPD durch ihren Verbleib in dieser verhinderten und immer noch verhindern?
Würden Sie diese meine Sicht der Problematik teilen?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Heimann
Sehr geehrter Herr Heimann,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Nach geltendem Recht ist eine Überprüfung nach dem Stasi-Unterlagengesetz noch bis Ende 2011 möglich. Ein Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP, der eine Verlängerung bis 2019 vorsieht, wird derzeit im Bundestag beraten. Auch wenn es sich hier um ein Bundesgesetz handelt und ich für das Berliner Abgeordnetenhaus, also ein Landesparlament kandidiere, kann ich Ihnen mitteilen, dass auch ich einer Fristverlängerung skeptisch gegenüberstehe. Im Jahr 1990 hat die damalige PDS dem Gesetz, die Stasiunterlagen zu archivieren und für die Aufarbeitung zugänglich zu machen sowie der Einrichtung einer Stasiunterlagenbehörde zugestimmt. Die PDS vertrat die Auffassung, dass die Opfer der Verbrechen der Stasi ein Recht auf Akteneinsicht und Wahrheit haben. Auch die wissenschaftliche Aufarbeitung muss möglich sein. Unsere Zweifel richteten sich gegen die Methoden der Regelüberprüfung und die Fristen. Das kann ich auch heute wieder betonen. Denn wie Sie es treffend geschildert haben, kollidiert die geplante Fristverlängerung mit dem in unserem Rechtssystem verankerten Grundgedanken der Verjährung von Straftaten. Jemandem, der nunmehr über 20 Jahre im öffentlichen Dienst o.ä. gearbeitet und sich nichts zuschulden kommen lassen hat, sollte eine zweite Chance zugestanden werden.
Was Kandidaten für Parlamentsmandate und andere politische Ämter angeht, gibt es in meiner Partei schon seit langem eine eindeutige Beschlusslage: Die vollständige Offenlegung der politischen Biografie ist Bedingung für Jeden, der politische Ämter und Mandate im Namen und mit Unterstützung der Partei anstrebt. Diese Auseinandersetzung mit individueller Schuld, politischer Verantwortung und den Machtstrukturen der DDR ist die entscheidende Voraussetzung dafür, in der heutigen demokratischen Gesellschaft glaubwürdig für unsere politischen Ziele eintreten zu können. Ohne dies wäre es gar nicht verständlich, warum soziale Gerechtigkeit und individuelle Freiheitsrechte für uns untrennbar zusammengehören. Dazu stehe ich und ich erwarte es auch von anderen Kandidatinnen und Kandidaten.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Wolf