Harald Wolf
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Frage von Ada A. •

Frage an Harald Wolf von Ada A. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Wolf,

der Berliner Mieterverband hat kürzlich gefordert, dass das Land Berlin die steigenden Mieten für Hartz-IV-Berechtigte zahlen muss, damit diese nicht zunehmend in billigere Wohnungen am Stadtrand umziehen müssen, wo dann Ghettos entstehen. Werden Sie die Forderung des Mieterverbandes umsetzen, falls Sie wieder mitregieren dürfen?

In München werden Arme mit Hilfe von öffentlichen Geldern jetzt wieder in Innenstadt - Wohnungen geholt, um mühsam wieder eine soziale Mischung herzustellen. In Berlin läuft unter Rot-Rot seit Jahren ein unerträglicher Verdrängungsprozess der Armen aus der Innenstadt. Wieso haben Sie als führender LINKER nichts dagegen getan?Rot-Rot betreibt seit Jahren eine schlimme Ausverkaufpolitik, d.h. der Liegenschaftsfonds verkauft auf Geheiß des Senats wertvolle landeseigene Grundstücke, wobei eine soziale und ökologische Stadtentwicklungspolitik überhaupt keine Rolle spielt. Dabei ging der Senat trotz des Spardiktats im Arbeits- und Sozialbereich beim Grundstücksverkauf oft nicht mal wirtschaftlich vor, siehe das Beispiel Grundstück Spreedreieck (wegen extremer Fehler der Berliner Politik und der Verwaltung musste der Senat sehr viel Geld an Entschädigungen zahlen. Die Stadt hatte u.a. einen S-Bahnhof verkauft, der ihr nicht gehörte!) Wie können Sie garantieren, das solche unfassbaren Fehler zu Lasten der SteuerzahlerInnen (!) künftig nicht mehr passieren?Auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften wurden verkauft. Gleichzeitig plakatiert Ihre Partei DIE LINKE, sie sei gegen Privatisierungen. Das ist unglaubwürdig. Auch für das Anliegen des Wassertisches hatte sich die Berliner LINKE leider nicht eingesetzt. Im Gegenteil: Sie wollte die Offenlegung der Senatsverträge betr. die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe verhindern. Die LINKE hat juristisch die Verlängerungsbau der A 100 vorbereitet, sagt aber sie sei gegen die A 100. Wird die LInke nach der Wahl Autobahn A 100, gegen die sehr viele Menschen sind, bauen?

Harald Wolf
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Adler,

haben Sie vielen Dank für Ihren Fragen.

steigende Mieten in Berlin sind ein drängendes Thema. Was jede und jeder aus dem eigenen Umfeld kennt, wird durch etliche Untersuchungen bestätigt: für Familien oder Alleinstehende mit niedrigem und mittlerem Einkommen wird es in Berlin immer schwieriger, bezahlbare Wohnungen zu finden. Die SPD hat das Mietenthema in den vergangenen Jahren weitgehend ignoriert und erst jetzt im Wahlkampf entdeckt. Seit Jahren versuchen wir mit der SPD voranzukommen, um die Verdrängung von Menschen mit geringen bis mittleren Einkommen aus ihren Kiezen und den Innenstadtbezirken zu verhindern. Wir stehen dafür, die für Berlin so wichtige soziale Mischung der Kieze zu verteidigen. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) dagegen ignoriert die zunehmende Verdrängung und verweist notorisch auf eine angeblich hohe Zahl von leerstehenden Wohnungen (die von Experten bestritten wird). Für die LINKE ist klar: So kann es nicht weitergehen. Wir als LINKE beharren darauf, dass die Stadt für alle bezahlbar sein muss. Menschen aller Einkommensgruppen müssen in allen Kiezen leben können. Dort wo wir Verantwortung tragen, nämlich bei den Mietkosten für Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV, Grundrente und Sozialhilfe, führen wir eine harte Auseinandersetzung mit unserem Koalitionspartner SPD. Dabei geht es um insgesamt rund 600.000 Menschen in der Stadt.
Schon vor zwei Jahren forderten wir die SPD auf, die Richtwerte für die zugelassenen Wohnungskosten den Realitäten auf dem Wohnungsmarkt anzupassen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Verdrängung der Menschen aus ihren Wohnungen zu verhindern und zwar für alle Wohnungs- bzw. Haushaltsgrößen. Ende März 2011 trat eine Änderung des Sozialgesetzbuches II in Kraft. Jetzt müssen die Länder die so genannten "Kosten der Unterkunft" neu regeln. Schon zuvor hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg höhere Richtwerte angemahnt. Wir konnten uns mit der SPD darauf verständigen, dass die Kosten der Unterkunft sowie die Betriebs- und Heizkosten an den Mietspiegel gebunden werden. Der Hauptkonflikt bleibt aber: die SPD beharrt darauf, dass die Mietkosten nur für einfache Wohnlagen übernommen werden. Das ist nicht nur sozial- und stadtentwicklungspolitisch falsch. Das geht schon rein rechnerisch nicht. 314.000 Hartz IV-Haushalte bekommen Kosten der Unterkunft. Davon leben die meisten - knapp 80 Prozent und damit 245.000 Bedarfsgemeinschaften - in Ein- oder Zwei-Personenhaushalten. Hinzu kommen noch etwa 55.000 Rentnerinnen und Rentner, die Grundsicherung oder eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten. Diesen insgesamt 300.000 Haushalten stehen in einfacher Wohnlage nur 154.500 Wohnungen in der Größe bis 60 Quadratmeter gegenüber. Nur wenn auch die mittlere Wohnlage einbezogen wird, ist rechnerisch ausreichend Wohnraum vorhanden. Dann stehen immerhin 368.900 Wohnungen bis 60 Quadratmeter zur Verfügung. Für die interessieren sich aber auch noch die 99.000 alleinlebenden Studierenden und alle anderen Bürgerinnen und Bürger, die ohne Anspruch auf staatliche Unterstützung eine Wohnung in dieser Größe suchen. Und bei den kleinen Wohnungen ist der Druck auf dem Mietenmarkt in Berlin bekanntlich besonders groß. (Insgesamt gibt es über alle Wohnungsgrößen hinweg in Berlin rund 850.000 Wohnungen in einfacher und mittlerer Wohnlage). Nach dem Gesetz muss Wohnraum nicht nur theoretisch anmietbar, sondern auch konkret vorhanden sein. Eine Neuregelung, die das nicht berücksichtigt, würde der gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Das Bundesgesetz verlangt in § 22 a SGB II darüber hinaus die »Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen«. Die Berliner SPD will davon nichts wissen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat in dieser Woche die von uns errechneten neuen Richtwerte abgelehnt.
Nach Berechnungen der Senatsfinanzverwaltung führt unser Konzept zu jährlichen Mehrkosten von 6,6 Millionen Euro. Das findet die SPD zu teuer. Letztes Jahr hat der Senat bei verschuldeten Transferhaushalten knapp 4,5 Millionen Euro Mietschulden übernommen. Auch dieser Widersinn ist der SPD egal.
Zum Glück mussten in den vergangenen Jahren sehr viel weniger Hartz IV-Empfangende umziehen als befürchtet. Aber die Zahl derjenigen, die inzwischen einen Teil ihrer Miete selbst übernimmt und bei denen dann das Geld für Essen, Kleidung und alles andere fehlt, diese Zahl steigt. Im vergangenen Jahr sind 1.195 Haushalte umgezogen, bei insgesamt 20.292 wurde die Miete bis zum Höchstbetrag übernommen, der Rest war eigenfinanziert. In der ersten Hälfte dieses Jahres gab es diese Festsetzung der Miete auf den Höchstbetrag schon bei 14.605 Haushalten. An diesen Zahlen lässt sich ablesen, dass die derzeitigen Richtwerte für die Mieten für viele nicht mehr ausreichen. Wir brauchen die Anpassung also unbedingt. Nicht die Anhebung der Richtwerte, sondern vermehrte Umzüge lassen das Mietniveau in der Stadt steigen. Denn bei einer Neuvermietung, die auf jeden Umzug folgt, gibt es keine gesetzlichen Grenzen für Mieterhöhungen.
Wir wollen mit der SPD noch vor der Wahl eine Einigung erreichen und die höheren Richtwerte per Rechtsverordnung beschließen. Sie kann sofort in Kraft treten. Auch das Landessozialgericht drängt auf eine Neuregelung. Denn die vielen Klagen auf Übernahme höherer Mieten beschäftigen die Betroffenen und die Gerichte, und sie kosten die öffentliche Hand viel Geld.
Verdrängung von Menschen mit niedrigen Einkommen darf es nicht geben. Berlin verstehen heißt auch das verstehen. Die SPD muss sich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage endlich bewegen. Wir werden nicht lockerlassen.
Was den GSW- Verkauf betrifft: Es gab in der krassen Haushaltsnotlage ein Urteil des Verfassungsgerichts zur Nichtigkeit des Haushalts - auf Antrag von CDU/FDP/GRÜNEN. Von heute auf morgen fehlten 1,1 Mrd. €. Da gab es die Alternative - bei damals entspannten Wohnungsmarkt - im laufenden Etat die Abrissbirne schwingen oder Verkauf. Das war keine Ruhmesblatt, aber niemand hatte eine schlaue dritte Variante. 2006 haben wir der SPD dann das Privatisierungsverbot für Wohnraum in die Koalitionsvereinbarung geschrieben.

Die Fertigstellung der Planungen zur A 100 war ein Kompromiss, den wir mit der SPD eingehen mussten, um den tatsächlichen Weiterbau der A 100 zu stoppen.
Zum Thema Wasservolksentscheid bitte ich Sie, auf bereits beantwortete Fragen zu schauen.

Mit freundlichen Grüßen
Harald Wolf