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Frage von Peter S. •

Frage an Harald Weinberg von Peter S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Weinberg,

In Deutschland sterben 8 von 100 Herzinfarktpatienten im Krankenhaus, in Dänemark nur 4. Umgerechnet bedeuted dies 7000 Tote mehr in Deutschland jedes Jahr. Menschen die leben würden, wenn bei uns dänische Verhältnisse herrschten, sollte dieser Bericht zutreffend sein. https://www.spiegel.de/plus/gesundheit-was-deutsche-kliniken-von-daenischen-lernen-koennen-a-891c646b-f0c0-4f33-ae45-efa97968283c
7000 Menschen jedes Jahr ist eine Menge, die eigentlich unfassbar ist, wenn man bedenkt, dass sie so einfach weiterleben könnten.
Wie gedenkt Ihre Partei diese Menschen zu retten bzw. ihnen eine Chance auf Leben zu śchenken?

Zugrundeliegend geht es offensichtlich nur um eine andere Organisation der Krankenhäuser!!!

Mit freundlichen Grüßen
P. S.s

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Sanders,

vielen Dank für Ihre Nachricht! Herr Prof. Busse hat einen deutlichen Denkfehler in seiner Argumentation: Er überträgt die Entwicklungen und Entscheidungen Dänemarks (5,75 Mio. Einwohner, zentral gesteuert, steuerfinanziertes Gesundheitssystem) einfach auf Deutschland (82,8 Mio. Einwohner, ein föderaler Bundesstaat (Grundgesetz) und ein überwiegend umlagefinanziertes Gesundheitssystem). Das ist schlicht nicht statthaft. Im Rahmen der Föderalismusreform ist festgelegt worden, wer für was im Krankenhaussektor zuständig ist. Die Länder sind zuständig für die Krankenhausplanung und für die Investitionskostenförderung der Krankenhäuser. Der Bund und speziell die Krankenkassen sind zuständig für die Finanzierung des laufenden Betriebs. Die Krankenhausplanung in den Ländern krankt an zwei Dingen: Erstens kommen die Länder ihren Verpflichtungen zur Investitionskostenförderung nur unzureichend nach, was bei den Krankenhäusern dazu führt, dass sie - um in dem simulierten Wettbewerb, in den sie durch die DRG-Finanzierung geschickt worden sind, zu bestehen - Fremdkapital aufnehmen, dass sie dann aus den laufenden Erlösen refinanzieren müssen. Und zweitens, dass das Schwert der Krankenhausplanung leider nicht besonders scharf ist. Es ist bislang rechtlich kaum möglich, Krankenhäuser aus dem Plan heraus zu nehmen oder zu verhindern, dass Krankenhäuser, die bestimmte Kriterien erfüllen, nicht in den Plan aufgenommen werden. Das führt dazu, dass es schwierig ist, eine gestaffelte Versorgungslandschaft, in der jedes Krankenhaus auf seiner Versorgungsstufe seine Aufgabe wahrnimmt, aufzubauen. Eines der Hauptprobleme ist dabei natürlich auch der Umstand, dass ein Krankenhaus nur dann Erlöse hat, wenn es Diagnosen stellt und behandelt. Das führt in dem bereits oben erwähnten Wettbewerb dazu, dass Krankenhäuser, die eigentlich bestimmte Dinge nicht behandeln sollten, dies dennoch versuchen, weil sie ansonsten auf den Kosten sitzen bleiben. Hier haben wir einen entscheidenden Unterschied, denn in Dänemark gibt es diese Form der DRG-Finanzierung nicht. Näheres zu dem Thema der DRG-Finanzierung finden Sie unter https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/ .

Drei kurze Anmerkungen noch:

1. Die Frage, ob wir zu viele Krankenhäuser in D. haben, wie Prof. Busse behauptet, ist auch eine Frage der Perspektive. Die Kolleginnen vom Katastrophenschutz, mit denen ich auch einmal im Jahr einen Austausch habe, sehen die Entwicklung der Krankenhauslandschaft mit ganz anderen Augen und verweisen darauf, dass die Vorhaltung von Krankenhausbetten schon jetzt eine kritische Grenze unterschritten habe, wenn man mal an Großereignisse oder größere Pandemien denkt, die ja durchaus möglich sind.

2. Es gibt seit letztem Jahr eine verbindliche Richtlinie des G-BA für eine gestufte Notfallversorgung in Deutschland, nach der die Teilnahme an einer Notfallversorgung gebunden ist an dem Vorhalten von entsprechend ausgebildetem medizinischen Personal und an entsprechender medizinisch-technischer Ausstattung. Insofern dürfte das, was Prof. Busse anführt, nämlich dass Patienten mit Herzinfarkt in Krankenhäuser ohne Herzkatheter eingeliefert werden, nicht mehr vorkommen. Die Richtlinie ist gerade in der Umsetzung.

3. Jeder Tote, der vermeidbar gewesen wäre, ist einer zuviel. Dennoch kann man die Dimensionen mal vergleichen. Wir haben in Deutschland geschätzt etwa 40.000 Tote im Jahr, die mit multiresistenten Krankenhauskeimen zusammenhängen. Hintergrund hier ist v.a. der ungezügelte Einsatz von Antibiotika unter anderem in der Tierzucht, der Resistenzen geradezu herausgemendelt hat. Um dem Her zu werden, wäre ein konsequentes Screening bei der Aufnahme, strikte Krankenhaushygiene-Maßnahmen, konsequente Isolierung von Träger-Patienten notwendig. Das alles findet nicht oder ungenügend statt, weil es sich unter den oben beschriebenen Finanzierungsbedingungen für die Krankenhäuser "nicht rechnet".

Fazit: Wir müssen dringend die Krankenhaus-Finanzierung ändern und anschließend die Versorgungslandschaft neu organisieren. Dazu gehört auch, dass wir den Krankenhaus-Konzernen untersagen, Gewinne an ihre Aktionäre auszuschütten. Herr Prof. Busse zäumt das Pferd von der falschen Seite auf.

Mit freundlichen Grüßen
Harald Weinberg