Frage an Harald Weinberg von Uwe-Jens G. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Weinberg,
vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort. Die Fälle der Masernerkrankungen sind (für mich) nur ein Anlaß für die Gedanken um eine Impfpflicht, es geht aber nicht nur um die Masern.
Natürlich müßte es bei einer Impfpflicht eine "Konstrollinstanz" geben. Und ein "Konzept einer Impfpflicht" fehlt meiner Meinung nach vor allem deshalb, weil man bisher nicht so intensiv (auch auf politischer Ebene) über diese nachgedacht hat - aus dem Hut läßt sich sowas auch nicht zaubern.
Ihren Ausführungen zur argumentativen Erhöhung der Impfquote kann ich folgen, nicht jedoch Ihrem Beispiel mit den Fällen A, B und C - denn diese Frage an mich ist sehr suggestiv, da Sie meine Meinung zur Impfpflicht kennen.
Ich finde es schade, daß Sie dem zweiten Teil meiner ersten Frage vollkommen ausgewichen sind, deshalb bitte ich Sie nochmals um Ihre Meinung zu dieser Frage, insbesondere unter dem Aspekt, daß es auch Kinder gibt, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können und somit besonderen Schutz genießen müssen. Wer übernimmt die Folgen (juristisch/finanziell) bei einer Ansteckung durch ein willentlich ungeimpftes Kind?
Nun meine weitere Fragen an Sie:
1) Wie soll das Grundrecht von Kindern aus Artikel 24 der UN-Kinderrechtkonvention, der Deutschland vor über 20 Jahren beigetreten ist), durchgesetzt werden? Nach fachärztlicher Meinung gibt es eine staatliche Fürsorgepflicht, wenn Eltern nicht alles tun, um ihre Kinder vor gefährlichen Erkrankungen zu schützen.
2) Desweiteren gibt es das Infektionsschutzgesetz, in dem die Möglichkeit für Pflicht-Schutzimpfungen aufgeführt ist. Wenn der Schutz der körperlichen Unversehrtheit ein so hohes Gut ist, wieso kann es dann "so einfach" ausgehebelt werden?
Zu Ihrem Satz "Nach unserer Verfassung ist grundsätzlich niemand verpflichtet, sich Zwangsbehandlungen zu unterwerfen." - das stimmt ja so nicht, z. B. Blutalkoholkontrolle oder eben § 20 IfSG.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe-Jens Greuel
Sehr geehrter Herr Greuel,
entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihre Nachfrage zunächst übersehen und soeben erst bemerkt hatte. Gerne will ich antworten:
Ich halte es für unverhältnismäßig, eine Kontrollinstanz ins Leben zu rufen, die dann auch noch schwere Sanktionen verhängt, weil Eltern sich (aus aus ihrer Sicht guten Gründen) weigern, an ihrem Kind eine Impfung vornehmen zu lassen.
Ich stimme mit Ihnen nicht überein, dass Kinder, die nicht geimpft werden können, besonderen Schutz genießen. Alle Kinder genießen Schutz, ob sie geimpft sind oder nicht geimpft sind (egal aus welchen Gründen). Es ist aber Aufgabe der Impfhersteller, für möglichst verträgliche Impfstoffe zu sorgen, um die Zahl derer, denen keine Impfung angeboten werden kann, möglichst gering zu halten. Natürlich übernimmt niemand juristische Folgen für die Ansteckung eines anderen mit einer Infektionskrankheit. Das gilt auch dann, wenn er/sie diese Infektionskrankheit durch möglicherweise fahrlässiges Verhalten selbst erlangt hat. Wir leben nicht in einer sterilen Welt. Daher dürfte der Nachweis auch schwierig werden. Was ist bei der Ansteckung an Impfversagern, die aber die stattgefundene Impfung nicht nachweisen können?
Ich stimme mit Ihnen überein, dass die Kinderrechtskonvention durchzusetzen ist. Allerdings kann sie nach meiner Meinung besser ohne Zwang durchgesetzt werden. Es deutet ja auch derzeit alles darauf hin, dass die Erst- und vor allem die Zweitimpfung bei Masern eine jedes Jahr höhere Akzeptanz finden. Dies ist ein wesentlich nachhaltigerer Erfolg als eine Steigerung der Impfquoten durch Zwang.
Natürlich ist das Recht der (individuellen) körperlichen Unversehrtheit nicht in allen Situationen gewährleistet und auch nicht gegen alle anderen Rechtsgüter immer stärker zu gewichten. Was ich allerdings sagen wollte, ist dass dieses Recht ein starkes Recht ist und dass man, um es auszuhebeln, ein höheres Rechtsgut braucht, dem nicht mit milderen Mittel zum Durchbruch verholfen werden kann. Nach meinem Dafürhalten ist das in der jetzigen Situation eindeutig nicht der Fall.
Daneben zielt ein Impfzwang an den wesentlichen Immunisierungsproblemen, vor denen wir stehen, vorbei. Eine wesentliche, wahrscheinlich die wesentliche Ursache für den Masern-Ausbruch in Berlin waren nicht zu wenig geimpfte einheimische Kinder, sondern ein mit Flüchtlingen offenbar völlig überfordertes Landesamt für Gesundheit und Soziales. Das führte dazu, dass die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge in Berlin nur höchst eingeschränkt stattfand und keine Angebote für Impfungen gemacht wurden. Dementsprechend ist der Anteil der an Masern erkrankten Flüchtlinge um Größenordnungen höher als der der einheimischen Bevölkerung. Das zeigt auch, dass es eben durchaus noch sehr einfache nicht genutzte Mittel gibt, die man nutzen sollte, bevor man über einen Impfzwang nachdenkt.
Ich habe für meine Fraktion eine Kleine Anfrage federführend ausgearbeitet, wo wir genau diese Fragen stellen, wie man auch ohne eine aus meiner Sicht schädliche Impfpflicht die Impfquoten erhöhen können – durch Impfangebote an Flüchtlinge. Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage finden Sie hier: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/047/1804787.pdf
Unter der einheimischen Bevölkerung wiederum gab es die größten Probleme bei den Personen mittleren Alters – zu jung, als dass sie selbst noch Masern mitgemacht hatten und dadurch heute noch immunisiert sind, aber zu alt, als dass sie bereits zwei Impfungen durchgemacht haben. Dadurch ist die Immunisierung in dieser Gruppe nur mittelmäßig gut ausgeprägt.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Weinberg