Frage an Harald Terpe von Nikjas G. bezüglich Gesundheit
Guten Tag,
ich fange am 01.08 eine Ausbildung beim Zoll an und wollte mich aus diesem Grund Privat versichern, da wir u.a von der Beihilfestelle finanziell unterstützt werden wenn wir uns Privat versichern. Bei meinen Recherchen und Anfragen bei den Privatversicherungen musste ich zu meiner Enttäuschung feststellen, dass mich alle Privatversicherungen ablehnen würden aufgrund eines angeborenen Herzfehlers. Das bedeutet für mich nun, dass ich mich freiwillig Gesetzlich versichern muss, was ca. doppelt so teuer ist. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang, wie verträgt sich dieses Vorgehen der Privatenkrankenversicherungen mit dem Antidiskriminierungsgesetz? Den im Gesetz steht doch folgendes: „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen soll“. Haben Sie vor diese Diskriminierung zu beseitigen so wie es im Gesetz steht?
Mit freundlichen Grüßen
Nikjas G.
Sehr geehrter Herr Gnaß,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Sie beschweren sich über das Gebaren der privaten Krankenversicherung (PKV), risikobezogene Prämien zu erheben bzw. bei bestimmten Vorerkrankungen generell eine Versicherung zu verweigern. Beides führt im Ergebnis zur Diskriminierung von Krankheit, Behinderung und selbst von (vermeintlich) erhöhten Krankheitswahrscheinlichkeiten.
Rechtlich ist das leider zulässig, weil das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, § 20 Abs. 2 Satz 2) hier einen Ausnahmetatbestand enthält:
„Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist im Falle des § 19 Abs. 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen.“
Auch wenn ich Ihnen natürlich nicht empfehlen kann, in die private Krankenversicherung zu gehen: Es gibt einen sog. "Basistarif" (kostet so viel wie der Höchstsatz in der GKV, also rund 610,- Euro pro Monat Gesamtbeitrag), in den Sie von dem jeweiligen Versicherungsunternehmen unabhängig von eventuellen Vorerkrankungen aufgenommen werden müssen (Kontrahierungszwang). Der Leistungsumfang des Basistarifs entspricht dem in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist nicht nur völlig ausreichend, es geht auch über den Leistungsumfang von etwa 80 Prozent der Tarife in der PKV hinaus ( http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/tarife-der-privaten-krankenversicherer-schuetzen-haeufig-nur-mangelhaft-a-837964.html ).
Allerdings: Die Entscheidung für die PKV ist im Prinzip eine Entscheidung für Ihr gesamtes Leben. D.h., solange die PKV besteht, werden Sie diese Entscheidung nicht mehr rückgängig machen können. Auch dann nicht, wenn die Beiträge altersabhängig in für Sie nicht mehr finanzierbare Höhen steigen sollten. Im Basistarif wird dies nicht passieren, doch Sie sollten auch einen späteren Arbeitgeberwechsel einkalkulieren. Sollten Sie später aus dem Basistarif heraus in einen anderen PKV-Tarif wechseln möchten, dürfte dies sehr teuer für Sie werden. Denn dann käme eine erneute Gesundheits- bzw. Risikoprüfung auf Sie zu. Und bei einem PKV-Tarif mit heute begrenztem Risikozuschlag haben Sie keinerlei Garantie auf konstante Beiträge, ganz im Gegenteil. Hier verbergen sich große Kostenrisiken.
Wir GRÜNE halten das bisherige zweigeteilte Versicherungssystem für ungerecht. Stattdessen befürworten wir eine Bürgerversicherung für alle Menschen unabhängig von ihrem Einkommen. Dadurch wäre auch das Problem des fehlenden Kontrahierungszwangs, der Diskriminierung von Menschen mit Vorerkrankungen sowie der immensen Kostensteigerungen im Alter behoben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Harald Terpe