Frage an Harald Terpe von Heike B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Terpe,
ich möchte Sie bitten mir mitzuteilen, welchen Weg ein chronisch kranker Patient einzuschlagen hat, damit er eine Therapie bekommt, die für seine Erkrankung nicht im Leistungskatalog verankert ist. Ein Rechtsanwalt kostet Geld und eigentlich widerspricht das unserem zugesagten Recht auf Unversehrtheit.
Vorausgesetzt ist natürlich, dass die Standardtherapie aus medizinischen Gründen kontraindiziert ist und aufgrund drohender Lebensgefahr, mindestens aber deutlicher Verschlechterung der Lebensqualität, unbedingt trotzdem therapiert werden muss. Ein mögliches Therapieverfahren besteht und hat - auf eigene Kosten - schon deutliche Erfolge gezeigt! Um diese zu erhalten, muss die Therapie fortgesetzt werden (als Erwerbsunfähikgeitsrentner finanziell unmöglich).
Der Nikolausbeschluss greift nicht, weil keine akute Lebensgefahr mehr besteht - nach der Therapie der Wahl - und die Krankenkasse lehnt eine Zahlung ab.
Über eine Antwort und Diskussion dieser Thematik, die sicher viele Menschen betrifft, würde ich mich sehr freuen! Gerne erteile ich Ihnen auf Wunsch auch nähere Informationen.
Freundliche Grüße,
Heike Braun
Sehr geehrte Frau Braun,
besten Dank für Ihre Frage. In der Tat ist es derzeit für die von Ihnen genannte Patientengruppe sehr schwierig bis unmöglich, von der Krankenversicherung eine Leistung außerhalb des gesetzlichen Leistungskatalogs finanziert zu bekommen.
Der Nikolausbeschluss und dessen kürzliche gesetzliche Fixierung in § 2 Abs. 1a im SGB V ist nicht ausreichend, weil beides nur in den Fällen einer tödlichen Erkrankung bzw. eines hiermit vergleichbaren Notstandes greift.
Aus meiner Sicht sind daher zwei Schritte denkbar: Zum einen sollten die Möglichkeiten des so genannten Off-Label-Use von Medikamenten ausgeweitet werden. Dazu haben wir kürzlich in einem Antrag ( http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/061/1706127.pdf ) eine Kommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgeschlagen, die Empfehlungen abgegeben können soll, in welchen Fällen abweichend von der ursprünglich Zulassung des Arzneimittels eine Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung möglich sein soll. Wenn also beispielsweise ein Cannabismedikament für die Therapie der Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen ist, es aber Hinweise gibt, dass es beispielsweise auch zur Therapie der Appetitlosigkeit bei Krebserkrankungen oder Schmerzen wirksam ist, dann könnte eine solche Kommission eine Empfehlung zur Verordnung dieses Medikamentes bei anderen Indikationen als Spastik bei MS aussprechen.
Eine weitere Möglichkeit wäre, die Regelung in § 2 Abs. 1a des SGB V auf die Fälle auszuweiten, in denen keine andere wirksame Therapiemöglichkeit besteht.
Es tut mir leid, dass ich Ihnen keinen bereits vorhandenen Weg aufzeigen kann. Die Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestag zu unserem o.g. Antrag hat leider deutlich gemacht, dass die Situation für viele Patientinnen und Patienten nach wie vor nicht akzeptabel ist. Union, FDP und SPD haben in der Anhörung nach meinem Empfinden allerdings nicht erkennen lassen, dass sie gewillt wären, die Situation dieser Menschen wirksam zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Harald Terpe