Frage an Harald Terpe von Markus S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Terpe,
Mir geht es um das Transplantationsgesetz von 1997, das 2 Ziele hatte: Mehr Rechtssicherheit - gibt es, mehr Transplantationen - gibt es nicht.
Jedes Jahr sterben ca 1000 Menschen in Deutschland auf einer Warteliste für eine Organspende.
1. Grund: Die Spendebereitschaft ist hoch, jedoch kommt es nicht zur Ausfüllung eines Organspendeausweises. Warum?
Tod ist ein unangenehmes Thema, aber da für sich selbst kein Vorteil damit verbunden ist, unterbleibt es.
Ein solcher Vorteil kann - darüber wird sicher Konsens bestehen - nicht finanzieller Art sein.
Möglich wäre über ein Spenderegister, postmortale Organspenden bevorzugt an Menschen zu vergeben, die selbst ihre Bereitschaft zur Organspende erklärt haben.
Dies wäre die Regel, erwarte nur von andern, was du selbst zu geben bereit bist.
Als "goldene Regel" Grundlage jüdisch-christlicher Ethik.
2. Grund:
In nur 50% der möglichen Organentnahmen nach Tod auf der Intensivstation kommt es zur Meldung an Eurotransplant. Gründe neben fehlender Ausstattung in kleinerer Kliniken und Personalengpässen: die Gespräche mit den Angehörigen kosten Zeit und sind nicht einfach.
Es würde für alle Beteiligten die Situation erheblich vereinfachen, wenn die Regel gilt "ohne expliziten Widerspruch kann man von der Bereitschaft zur Organspende ausgehen". Das Gespräch entfällt nicht, steht aber unter anderm Vorzeichen.
4 Fragen:
1. Sind Sie als Obmann Ihrer Partei im Gesundheitsausschuss bereit in der kommenden Legislaturperiode für eine Überarbeitung des Transplantationsgesetzes zu veranlassen?
2. Treten Sie bei den Grünen für eine Umkehr des Widerspruchsprinzips ein?
3. Treten Sie für ein zentrales Spenderregister ein, das die Abfrage der Entscheidungssituation vereinfacht?
4. Können Sie der Verknüpfung von Spendebereitschaft und vorrangigem Empfang zustimmen, die über die Gewährung des eigenen Vorteils die Spendebereitschaft erhöhen kann?
Mit freundlichem Gruß,
Markus Schmidt-Gröttrup
Sehr geehrter Herr Schmidt-Gröttrup,
Herzlichen Dank für Ihre Fragen.
Wir sind uns sicher einig, dass man die Bedingungen für die Organspende verbessern muss und damit auch die Zahl der gespendeten Organe steigern kann. Die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen betreffen aber schwierige ethische Fragestellung. Aus diesem Grund darf man sich in der Debatte nicht nur auf Forderungen zurückziehen, die auf den ersten Blick pragmatisch erscheinen.
Die Forderung nach Einführung der sogenannten Widerspruchslösung, nach der all jene, die einer Organspende nicht ausdrücklich widersprechen, automatisch als Spender gelten, halte ich für falsch. Für mich hat das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger - auch über das Lebensende hinaus -einen großen Stellenwert. Zudem führt die Widerspruchslösung nicht automatisch zu mehr Organspenden, wie man in internationalen Vergleichen sehen kann. So weist beispielsweise Irland mit seiner Zustimmungsregelung mehr Organspenden auf als Ungarn, wo die Widerspruchslösung gilt. Auch in Spanien werden die weltweit höchsten Spenderzahlen von Experten nicht auf die dort geltende Widerspruchslösung zurückgeführt (die dort de facto gar nicht praktiziert wird), sondern in erster Linie auf eine gute Organisation und eine finanziell gute Ausstattung des Systems.
Auch einen vorrangigen Anspruch auf ein Spenderorgan bei Personen, die sich selbst als Spender zur Verfügung stellen würden, erscheint mir in diesem Zusammenhang weder zielführend noch ethisch verantwortbar. In der Regel handelt es sich bei den Organempfängern um schwer kranke Menschen, bei denen es oft keine andere medizinische Möglichkeit gibt, ihr Leben dauerhaft zu erhalten. Dieser Grundsatz der Lebenserhaltung muss meiner Ansicht im Zweifelsfall immer Vorrang haben vor anderen Erwägungen.
Ich bin allerdings nicht dafür, die Hände in den Schoß zu legen. Politik, Ärzteschaft, Kliniken und Krankenkassen müssen durch sehr behutsame Aufklärung Vertrauen gegenüber der Organspende aufbauen. Eine "Kultur der Spendenbereitschaft" lässt sich nicht auf gesetzlichem Wege etablieren.
Auch die derzeitigen Strukturen müssen verbessert werden, zum Beispiel durch eine Konkretisierung der bisher sehr allgemein gehaltenen Meldepflicht im Transplantationsgesetz, durch mehr qualifizierte Transplantationsbeauftragte an Kliniken und durch die Förderung der Zusammenarbeit aller Akteure. Dass es auch ohne Widerspruchslösung geht, zeigt das Beispiel Nordrhein-Westfalen: Während 2008 in fast allen Bundesländern die Spenderzahlen zurückgingen, stiegen sie in NRW um beinahe 15 Prozent. Dies dürfte wesentlich daran liegen, dass dort Kliniken mit Intensivbetten seit 2008 verpflichtet sind, einen Transplantationsbeauftragten bereitzustellen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Harald Terpe