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Frage von Hagen H. •

Frage an Harald Koch von Hagen H. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Koch,

was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?

Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?

Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?

Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die SchulentwicklungsVO des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.

Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern?

Vielen Dank schon vorab für die Beantwortung der Fragen.

Freundliche Grüße

Hagen Herholdt

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Sehr geehrter Herr Herholdt,

vielen Dank für Ihre Fragen!
Die Ursachen für den "demografischen Wandel" sind vielfältig. Zum einen ist es eine veränderte Geburtensituation nach 1990, die möglicherweise zur Hälfte mit den Unsicherheiten der Wende begründet ist, zum anderen aber durch das demografische Echo der Zeit vor dem Babyboom und den sozialpolitischen Maßnahmen und nach dem Geburtenrückgang, der als "Pillenknick" bezeichnet wird. Es kommen weitere, nicht nur auf Sachsen-Anhalt oder den Osten begrenzte Gründe hinzu. Darüber hinaus wirken aber auch die massive Abwanderungen von jungen Leuten vor oder auch nach ihrer Ausbildung, weil sie in unserem Bundesland zu wenige oder zu schlechte persönliche berufliche Perspektiven sehen. Alles in allem darf mit dem demografischen Wandel - ähnlich wie mit der "Generationengerechtigkeit" - kein Drohszenario an die Wand geworfen werden, um weitere Sozialkürzungen durchzusetzen. Die demografische Entwicklung bietet auch Chancen. Es gilt, eine gezielte und soziale Seniorenpolitik zu etablieren, neben einer Politik, die junge Arbeitskräfte auch in ländlichen Regionen hält. Es müssen mithin attraktive berufliche Perspektiven hier im Land geschaffen werden. Dazu gehört die Verbesserung des Einkommensniveaus, zum Beispiel durch einen gesetzlichen Mindestlohn.

Es müssen überall gleichwertige Lebensverhältnisse ermöglicht werden. Dazu gehört, dass in den ländlichen Räumen die öffentliche Infrastruktur erhalten und ausgebaut wird, damit der Zugang zu Kultur, Bildung, zu Gesundheitsdienstleistungen und Versorgung gesichert wird. Insbesondere die ärztliche Versorgung auf dem Lande muss durch eine zielgerichtete Gesundheitspolitik des Bundes verbessert werden. Ein Gemeindeschwesternsystem (cm-nurses) könnte dabei helfen, gerade für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, das Leben zu erleichtern. Die große Chance ländlicher Räume besteht in naturnaher Wirtschaft und einem Mix aus landwirtschaftlichen Betrieben sowie kleinen und mittleren Unternehmen, insbesondere auch Handwerksbetrieben. Dazu sollten entsprechende Förderprogramme aufgelegt werden.

Schulpolitik ist zwar ausschließlich Landessache, aber ich halte die weitere Ausdünnung der Schullandschaft nicht für den richtigen Weg. "Kurze Wege für kurze Beine" gilt für DIE LINKE immer noch. Allerdings muss auch die Bildungsqualität gewährleistet sein. Die Fehler in der Schulentwicklung in Sachsen-Anhalt sind allerdings schon in den neunziger Jahren gemacht worden mit dem Auseinanderfallen der Schulformen. Die LINKE plädiert für Gemeinschaftsschulen, wobei ich davon ausgehe, dass es ein deutlich dichteres Grundschulnetz geben muss als es bei den weiterführenden Schulen möglich ist.

Die Festlegungen in der Schulentwicklungsplanverordnung folgen offensichtlich der Sorge um die Lehrerversorgung in kleinen Schulen. Mit einer solchen Regelung stehen eine ganze Reihe Grundschulen vor dem Aus. Allerdings kann die Schulentwicklungsplanung nicht von der Lehrerstellensituation abgekoppelt werden. In Sachsen-Anhalt droht in der Tat ein deutlicher Lehrkräftemangel. Die Ausbildung von genügend Lehrkräften ist in der Vergangenheit angesichts des damals vorhandenen Überhanges nicht genügend betrieben worden. Das wird sich zuerst in den Grundschulen bemerkbar machen. Ich kritisiere die Verordnung aber noch aus einem anderen Grund: Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen inklusiven Unterricht können so nicht geschaffen werden. Das aber ist ein Gesetzesauftrag. Man muss endlich gut genug auf die konkrete Situation vor Ort eingehen. Schädlich ist dabei auch, dass die Verantwortungen für räumliche Absicherung von Bildung, also die Schulgebäude, von der inhaltlichen und personellen getrennt ist. Die Kommunen müssen danach entsprechend der Verordnung handeln, obwohl es vielleicht andere Möglichkeiten gäbe. Zum Beispiel die der Kooperation mit anderen Gemeinden oder das von mir favorisierte Floating-Modell, welches einen flexibleren Umgang mit schwankenden Schülerzahlen erlaubt.

Ich denke, dass hier der Städte- und Gemeindebund sowie Elternvertretungen gemeinsam aktiv werden müssen. Aber einfach die Verordnung aufzuheben, ist nicht hinreichend. Wir brauchen ein Verfahren, wie ein ausgewogenes Angebot an Schulen erhalten werden kann. Gerade Grundschulen sollten dabei auch mal klein sein dürfen. Doch ohne eine interkommunale Zusammenarbeit wird es nicht gehen. Daran sind aber schon in der Vergangenheit manche Bemühungen um Schulerhaltung gescheitert. Am Ende zählt, ob es ein gutes und gut erreichbares Schulangebot für Grundschulkinder gibt.

Mit besten Grüßen,
Harald Koch, MdB