Frage an Hansjörg Durz von Christoph S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Eine Gesellschaft und Demokratie lebt von der Teilhabe Aller. Daher wäre es im Sinne unserer Gesellschaft wenn möglichst viele Menschen sich am politischen Prozess beteiligen. Leider scheint es Mitglieder im Bundestag und in der Bundesregierung zu geben, die dort einen Platz über einen längeren Zeitraum einzunehmen. Das erscheint mir als aufgeklärtem Bürger nicht sehr pluralistisch, sondern eher monotoistisch. Zusätzlich wird unsere Wirtschaft durch einen längeren Verbleib dieser, teilweise, gut ausgebildeten Menschen durch den Entzug ihrer Arbeitskraft für Volkswirtschaft geschwächt. Wie stehen Sie zu einer zeitlichen Begrenzung der Mitgliedschaft im Bundestag und in der Bundesregierung? Quasi eine zeitliche Obergrenze für Politiker!
Sehr geehrter Herr S.,
für Ihre Anfrage auf meinem Profil bei abgeordnetenwatch.de möchte ich mich bedanken.
Eine "zeitliche Obergrenze" für Mitglieder des Deutschen Bundestages oder für Kabinettsmitglieder der Bundesregierung lehne ich ab. Gerne möchte ich meine Haltung begründen.
Voraussetzung dafür, als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt zu werden, ist es, dafür von einer Partei nominiert zu werden. Dies gilt gleichermaßen für Direkt- wie Listenkandidaten. Dieser Fakt lässt sich auch empirisch bestätigen: Seit 1949 ist kein Einzelbewerber in den Deutschen Bundestag gelangt. Insofern sprechen Staatsrechtler auch von einem de facto "parteigebundenen Mandat", das sich in der in der Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland neben das verfassungsrechtlich verankerte Prinzip des "freien Mandats" (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) gesellt hat.
Die Parteien spielen im politischen System der Bundesrepublik Deutschland eine wesentliche Rolle. Ihr Auftrag ist es, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Dies betrifft die Artikulation und Aggregation von Interessen genauso wie die Informationsvermittlung und Mobilisierung. Eine weitere wesentliche Aufgabe von Parteien liegt in der sogenannten Rekrutierungsfunktion: Die Parteien entscheiden auf Nominierungsversammlungen und Parteitagen, wer auf Ihren Listen zu Wahlen kandidiert und welche Personen als Spitzenkandidaten für Regierungsämter nominiert werden. Gerade die Nominierung stellt einen Akt innerparteilicher Demokratie dar, da es die unmittelbar dafür gewählten Basismitglieder sind, die auf den Nominierungsversammlungen über das Personal entscheiden.
Insofern obliegt es den Parteien und ihren Mitgliedern de facto über die konkrete Auswahl des politischen Personals zu entscheiden. Hier fließen für die Entscheidung über die Eignung eines Kandidaten eine Vielzahl von Faktoren und Aspekten ein - etwa Ausbildung, bisherige berufliche Tätigkeit, gesellschaftliches Engagement, Seriosität, Authentizität, Kompetenz, Außenwirkung, Dynamik oder Erfahrung. Eine gesetzlich vorgeschriebene zeitliche Obergrenze würde den Entscheidungsspielraum zur Auswahl von Kandidaten unverhältnismäßig einengen. In der Praxis müssen auch langjährige Parlamentarier vor jeder Wahl ihrer Partei Rechenschaft abgelegen und sich aufs Neue um die Aufstellung für ein Mandat bewerben. In allen Parteien gilt, dass es dabei nicht zwangsläufig zur Bestätigung eines amtierenden Mandatsträgers kommt. Über Kontinuität oder personelle Neuaufstellung entscheidet letztlich die Basis.
Ähnlich verhält es sich für die Mitglieder der Bundesregierung. Und hier achten Parteien sehr wohl auf eine Mischung, bestehend aus regionaler Verteilung, Geschlecht und Alter und auch langjährige Regierungsmitglieder sind nach Wahlen nicht vor Kabinettsumbildungen gefeit, wie das Beispiel des langjährigen Bundesminister Thomas de Maizière zeigte.
Gerne möchte ich abschließend auf eine Erfahrung aus meiner persönlichen Arbeit vor Ort aufmerksam machen: In meiner Arbeit als Direktkandidat für den Wahlkreis Augsburg-Land erlebe ich, dass es für die Umsetzung insbesondere von Infrastrukturprojekten eines langen Atems bedarf. Von den ersten Vorplanungen bis zur Verkehrsfreigabe können hier schnell 10 Jahre und mehr vergehen. Personelle Kontinuität kann hier ein wichtiger Vorteil sein, wenn es darum geht, die Maßnahmen eng zu begleiten und sich für eine Realisierung zu engagieren.
Mit freundlichen Grüßen
Hansjörg Durz, MdB