Frage an Hansjörg Durz von Jürgen M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Durz,
gemäß einer Focus Umfrage sind 93,2 Prozent gegen weitere Hilfen für Griechenland und einem Grexit.
Wie ist Ihre Position dazu und wie wird diese Stimmung im deutschen Parlament berücksichtigt?
MfG
J.Michel
Sehr geehrter Herr Michel,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 16.07.2015 auf meinem Profil bei abgeordnetenwatch.de. Meine persönliche Entscheidung zu dieser komplexen Frage habe ich mir nicht leicht gemacht. Nach ausführlichen Beratungen der Gremien und Landesgruppen in den vergangenen Wochen, teilweise bis tief in die Nacht, und der intensiven Debatte im Deutschen Bundestag am vergangenen Freitag hatten die Abgeordneten zu entscheiden, ob sie für die Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland stimmen.
Aus rein ökonomischer Sicht bin ich der Überzeugung, dass ein Grexit auf Zeit der richtige Weg wäre. Dieser würde zwar erhebliche Kosten verursachen, wir müssten Griechenland also auch weiterhin unterstützen, das Land würde aber schneller seine Wettbewerbsfähigkeit wieder zurückgewinnen.
Allerdings ist dieser Weg nur gangbar, wenn Griechenland selbst den Ausstieg aus dem Euro will. Hinzu kommt, dass auch andere Länder in Europa, wie z.B. Frankreich, dem Grexit nicht zustimmen. Deshalb scheidet dieser Weg aktuell aus.
So ist das nun vorliegende Verhandlungsergebnis die beste Lösung, um das Prinzip „Solidarität nur gegen Solidität“ beizubehalten. Vor allem gelang dadurch aber, Europa zusammenzuhalten. Und dieser Zusammenhalt in Europa ist von unschätzbarem Wert, gerade vor dem Hintergrund von Herausforderungen, wie z. B. der Bedrohung durch IS, dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland oder der Flüchtlingswelle.
Deshalb habe ich am vergangenen Freitag der Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland zugestimmt. Und wenn ich in den letzten Wochen und Monaten auch das Vertrauen in die griechische Regierung verloren habe, in Angela Merkel und Wolfgang Schäuble habe ich höchstes Vertrauen. Ich bin überzeugt, dass in den kommenden Wochen intensive Verhandlungen mit Athen anstehen. Über ein mögliches Verhandlungsergebnis kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Fakt ist jedoch, dass wir als CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag uns streng am Prinzip "Solidarität nur gegen Solidität" orientieren werden. Das bedeutet, dass nur wenn es der griechischen Regierung gelingt, durch wichtige Sofortmaßnahmen sowie durch überzeugende Konzepte für die Zukunft, Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, ein neues Programm aufgelegt werden kann. Die griechische Regierung muss in Vorleistung gehen und endlich Verantwortung für eine glaubwürdige und nachhaltige Reformpolitik übernehmen. Wir können hier Hilfestellungen anbieten - nicht mehr und nicht weniger.
Die von Ihnen angesprochene Stimmungslage in der Bevölkerung nehme ich als sehr differenziert war. Ich habe großes Verständnis dafür, wenn angesichts des nunmehr langjährigen Engagements gerade der deutschen Steuerzahler auf der einen sowie des Verhaltens der griechischen Regierung auf der anderen Seite, der Frust und die Verärgerung sehr hoch sind. Dennoch ist es wichtig, sich bei derlei komplizierten Zusammenhängen nicht von Emotionen leiten zu lassen. Unser Ziel bleibt die immer engere Einigung Europas. Dazu zählt auch eine stabile Währungsunion. Der Erfolg dieses Projekts liegt in unser aller Interesse und wird meiner Wahrnehmung nach auch von der Mehrheit der Bevölkerung weiterhin unterstützt.
Mit freundlichen Grüßen
Hansjörg Durz, MdB