Frage an Hans-Werner Andreas von Ulrike P. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Andreas,
mich würde sehr interessieren, was Sie vom Ethikunterricht halten - als Pflichtfach.
Mit freundlichen Grüßen.
Ulrike Peun
Sehr geehrte Frau Peun,
mit Ihrer zweiten Frage haben Sie mich erst einmal in Verlegenheit gesetzt, hatte ich mir doch vorgenommen, alle Dinge nur unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, in wie weit sie den Arbeitslosen nützen. In dem heftigen parteipolitischen Streit um das Fach L-E-R (Lebensgestaltung – Ethik – Religion) geht es ja offensichtlich um die Herzen und Köpfe der Halbwüchsigen, also der noch nicht Arbeitslosen.
Wie sich diese vielen zukünftigen Arbeitslosen in unserer Gesellschaft heimisch fühlen sollen, dies allerdings kann uns als DeutscheArbeitslosenPartei (DAP) nicht gleichgültig sein. Aus informellen Gesprächen weiß ich, dass viele Mitglieder bekennende Atheisten oder wie auch ich, konfessionell ungebunden sind. Tendenziell reden wir also dem Fach L-E-R das Wort, ohne dazu eine generelle Parteiaussage gemacht zu haben.
Ich persönlich bin sehr für dieses Pflichtfach, will aber trotzdem auf die wunderbaren Erfahrungen nicht verzichten, die ich beim Gottesdienst in St. Martinus in Kaulsdorf oder beim Sommerfest der protestantischen Gemeinde in Hellersdorf machen durfte. Die großartige Arbeit und das Engagement der Gemeinden finden meine größte Sympathie!
Hier aber noch einige sehr persönliche Anmerkungen: An der Alice-Salomon-Fachhochschule lesen wir ja täglich das Banner „Gegen Nazis und Rassismus“, was einen der begrüßten Inhalte des neuen Fachs umschreibt. Wenn sich das Fach allerdings nur auf „Holocaust Studies for Teenagers“ beschränkte, dann müssen wir leider befürchten, angesichts der Bilder aus der Levante (=von der Ostküste des Mittelmeers) das Gegenteil vom Intendierten zu erzielen.
Ethik ist schließlich der praktische Teil der Philosophie, der uns helfen soll, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Da stehen dann die Unterrichtenden und ihre Schüler schnell im Spannungsfeld zwischen konkurrierenden Gesetzgebungen, die Detailfragen dazu entgegengesetzt entscheiden (Grundgesetz gegen Aufforderungen zu Heiligen Kriegen).
In den von mir relativ schnell durchgeschauten Unterlagen fehlt mir ein Selbstverständnis, das die gesamte Palette der Angebote zum Thema umfassen würde. Ich meine damit die Spekulationen der Kernphysiker, die laufenden Meter gechannelter Offenbarungen, die Tatsache, dass Millionen von Menschen von der Matrix-Trilogie erfasst wurden und inzwischen Hunderttausende in www.secondlife.com eintauchen. Der Nobel-Preisträger Steven Weinberg hat in dem Zusammenhang diesen viel zitierten Satz gesagt „Religion ist eine Beleidigung der Menschenwürde. Mit oder ohne sie würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, dafür bedarf es der Religion.“
Vielleicht ist die Dreigliederungslehre Siegmund Freuds vom Id (=unsere Programmierung durch Herkunft und Muttersprache), Ego (= unser kritisches Verstandesbewusstsein) und Super-Ego (= der Liebe Herrgott, der Welten-Humor, der Puppenspieler, der Große Zocker, …) ein hilfreicher methodischer Ansatz, das Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen einzuüben, wobei es im Kant´schen Sinne um den Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit geht.
Auch hat Deutschland und ganz besonders Berlin einen Beitrag zum Weltfrieden zu leisten, wenn gerade im Ethik-Unterricht die aramäischen Grundlagen der Heiligen Schriften (Luxenberg, Ohlig, Puin, u.a.) erarbeitet würden. Wie viel Selbstmordattentate könnten verhindert werden, würden Koran-Schüler wissen, dass aus wohlschmeckenden weißen Trauben im Garten Eden durch sprachliche Missverständnisse glutäugige Jungfrauen wurden!!! (Wenn Bernd, das Brot, „Mist“ schimpft, dann denken Engländer erst einmal an die „Nebel von Avalon“; so entstehen falsche Vorstellungen.).
Was nun also hat dies mit uns Arbeitslosen zu tun? Tatsache ist, dass es viele arbeitslose Philologen (=Freunde des Worts)gibt, die gerade hier einen wertvollen Beitrag leisten können, anstatt als Hilfsarbeiter unter Wert zu arbeiten. Würden sie, wie vorgeschlagen, kostenneutral in den öffentlichen Dienst aufgenommen, könnten wir schon mittelfristig eine starke Verbesserung der multikulturellen Beziehungen in Berlin und Deutschland erleben. Ethikunterricht als Pflichtfach sehe ich also als eine enorme Bereicherung unseres Kontextes, besonders wenn wir engagierte Lehrer finden, die die vorherrschenden Mangelvorstellungen in der Welt erfolgreich hinterfragen.
Ich hoffe, dass ich Sie und die anderen Leser nicht zu sehr ermüdet habe bei meinem Plädoyer für den Ethik-Unterricht in Berlin.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Werner Andreas