Frage an Hans-Ulrich Pfaffmann von Martin S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Pfaffmann,
die Bundes SPD fordert in einem Konzeptpapier zum Bildungsprogramm die Abschaffung der Hauptschulen mit der Begründung:
Die Schulform könne heute unter den veränderten Anforderungen von Gesellschaft und Arbeitsmarkt ihren Auftrag nicht mehr erfüllen, heißt es. Die SPD spricht sich zugleich für ein längeres gemeinsames Lernen aller Kinder aus und will sich deshalb "für den Ausbau von integrativen Schulformen stark machen".
Ist die Abschaffung der Hauptschulen als Lösungsansatz von Problemen nicht etwas kurz gedacht. Damit werden doch nur die Probleme auf eine andere, nämlich die Realschule, verlagert. Das Argument, dass die stärkeren Schüler die Schächeren "mitziehen" ist sicherlich nicht aus der Luft gegriffen, heißt aber im Umkehrschluss doch auch dass die Geschwindigkeit in der dort bisher Lerninhalte vermittelt worden sind verzögert wird.
Wäre nicht eine professionell, durchdachte und fachlich fundierte Reform der Hauptschulen konstruktiver? Lerninhalte prüfen, neue Lerninhalte einführen, möglicherweise die Schulzeit bis zur mittleren Reife verlängern, Leistungskriterien überprüfen und reformieren. Damit könnte doch die Hauptschule den veränderten Anforderungen von Gesellschaft und Arbeitsmarkt begegnen.
Mich würde Interessieren wie ihre Meinung zu diesem Thema ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
MfG
Schonlau
Sehr geehrter Herr Schonlau,
vielen Dank für Ihre Frage zur Zukunft der Hauptschule, die ich gerne beantworte. Richtig ist, dass die Bundes-SPD sich für die Abschaffung der Hauptschule als eigenständige Schulart ausgesprochen hat. Dazu muss man aber zunächst einmal wissen, dass die Hauptschule in den meisten Bundesländern schon längst nicht mehr "Haupt-"Schule ist, sondern nur noch "Rest-"Schule für die mehr oder weniger geringen Anteile der Schüler, die an keiner anderen Schulart mithalten können. In fast allen anderen Bundesländern gehen die weit größeren Anteile eines Jahrgangs auf andere Schularten, nämlich Realschule, Gesamtschulen oder Gymnasien, das ist je nach Bundesland durchaus unterschiedlich. Bayern ist das einzige Bundesland, in dem die Hauptschule zahlenmäßig noch eine so große Bedeutung hat. Selbst in Baden-Württemberg, dem anderen großen, südlichen, konservativen Bundesland, ist der Anteil der Hauptschüler in den letzten zehn Jahren rapide gesunken, und im letzten Jahr waren es gerade die dortigen Hauptschuldirektoren, die in einem Brandbrief die Auflösung der Hauptschulen gefordert haben. In allen Bundesländern zeigt sich, dass die Hauptschule ihre Daseinsberechtigung verliert, und dass niemand ein Konzept hat, wie die Hauptschule gerettet werden kann.
Der Trend weg von der Hauptschule zeigt sich übrigens genauso in Bayern. Spätestens seit Einführung der R6, der Realschule ab der fünften Klasse, laufen der Hauptschule die Schüler, und zwar die stärkeren, davon. Zudem hat die Staatsregierung in den letzten Jahren durch die Schließung aller Teilhauptschulen und vieler kleiner Hauptschulen die Zahl der Standorte glatt halbiert. Auch das öffentliche Image der Hauptschulen ist stetig gefallen, sehr viele Eltern tun alles, um ihre Kinder nicht auf die Hauptschule geben zu "müssen". Und gerade in den städtischen Hauptschulen sammeln sich die Probleme. Ob es unter diesen Rahmenbedingungen noch möglich und sinnvoll ist, an der Hauptschule als eigenständiger Schule festzuhalten, ist in der Tat zu diskutieren. Diese Diskussion wollen wir mit allen Betroffenen führen, wobei ich nicht verhehlen will, dass meine Skepsis die Zukunft der Hauptschule betreffend, sehr groß ist.
Natürlich hilft es uns nicht weiter, die Hauptschulen zuzusperren, und alle Kinder auf die Realschulen zu schicken, das würde die vielfältigen Probleme in der Tat nur verlagern. Was wir brauchen, ist eine ganz andere Schul- und Bildungskultur. Gute Bildung, Erziehung und Förderung ist aufwendig und kostet den Staat Geld, das müssen wir endlich zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln. Wir brauchen mehr Lehrer, mehr Sozialpädagogen, mehr individuelle Beratung und Förderung, mehr Ganztagsunterricht, von Selbstverständlichkeiten wie weniger Unterrichtsausfall und kleineren Klassen gar nicht zu reden. Wenn wir es schaffen, unsere Schulen endlich zu stärken und zu reformieren, lassen sich viele Probleme auch lösen, - unabhängig von der Frage der Schulstruktur. Es ist nur so, dass international unsere frühe Aufteilung der Schüler in "Gute" und "Schlechte", oder wie es der Kultusminister sagt, in künftige Akademiker und in "praktisch Begabte", (wir reden hier von 10-jährigen Kindern!), völlig unüblich ist. Wir stehen da völlig isoliert und rückständig da. Und deshalb kann ich mir eine andere Schulstruktur sehr gut vorstellen.
Noch eines ist natürlich auch klar: Solange wir Hauptschulen haben, gehören auch diese vernünftig ausgestattet. Alles was ich oben gesagt habe, - mehr Lehrer, mehr Sozialpädagogen, mehr individuelle Beratung und Förderung, mehr Ganztagsunterricht, weniger Unterrichtsausfall und kleinere Klassen -, gilt natürlich genauso für die Hauptschulen. Für all das trete ich ein, und deshalb hoffe ich auf Ihre Untersützung am 28.9.!
Beste Grüße,
Hans-Ulrich Pfaffmann,
Abgeordneter im Bayerischen Landtag