Frage an Hans-Ulrich Krüger von Christian W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Krüger,
irritiert bin ich von Ihrer Antwort - nicht wegen der Ausführlichkeit, für die ich mich ausdrücklich bedanke - sondern über deren Inhalt, die meine Ausgangsfrage schlichtweg nicht beantwortet: wie erklärt sich der Unterschied zwischen steuerrechtlichem und unterhaltsrechtlichem Existenzminimum?
Ich zitiere aus Ihrer Antwort:
"Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes muss die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit von Eltern, die durch den Unterhalt von Kindern in Höhe des Existenzminimums entsteht, steuerlich berücksichtigt werden. Bei der Besteuerung der Eltern wird daher ein dementsprechender Betrag steuerfrei belassen; nur das darüber hinausgehende Einkommen darf besteuert werden",
In Höhe des Existenzminimums beträgt der Unterhalt für zwei Kinder im Alter von 14 und 16 gem. Düsseldorfer Tabelle 9432 Euro. Der steuerliche Kinderfreibetrag beträgt für zwei Kinder dagegen 5808 Euro. Es ist also nicht so, dass das Existenzminimum, welches ich gesetzlich verpflichtet bin für meine Kinder zu zahlen, steuerrechtlich berücksichtigt werden - wie das Bundesverfassungsgericht es vorschreibt.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Wasser
Sehr geehrter Herr Wasser,
ich komme zurück auf Ihre E-Mail vom 09.05.2007 und übersende Ihnen abschließend den Wortlaut meiner erneuten Anfrage beim Bundesfinanzministerium.
„Auf Grund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums sind Sozialhilferecht und Einkommensteuerrecht eng miteinander verknüpft: Der sozialhilferechtliche Mindestsachbedarf ist maßgeblich für die Bemessung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums. Die hierfür im Rahmen des Existenzminimumsberichts der Bundesregierung angewandte Berechnungsmethode wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet und bei dessen Entscheidungen vom 10. November 1998 zum Kinderexistenzminimum berücksichtigt. Die Funktionsweise des geltenden steuerlichen Familienleistungsausgleichs (Kindergeld / Freibeträge für Kinder) wurde in meinem Schreiben vom 30. April 2007 beschrieben.
Während sich die Sozialhilfeleistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten und daher auch Sonderbedarfe berücksichtigt werden, gewährleistet die Berechnungsmethode im Existenzminimumbericht eine für das Steuerrecht erforderliche Typisierung. Diese wegen der Abwicklung im Massenverfahren notwendige Generalisierung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das bedeutet, weder kann es noch muss es einen betragsmäßigen Gleichklang zwischen Sozialhilferecht und Steuerrecht geben. Im Sozialhilferecht steht das Einstehen der Allgemeinheit für Hilfebedürftige und die Gewährung eines soziokulturellen Existenzminimums im Vordergrund. Im Steuerrecht gewährleisten die Freibeträge (Grundfreibetrag und Freibeträge für Kinder) die steuerliche Verschonung des entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben bemessenen Existenzminimums.
Auch im Unterhaltsrecht oder Pfändungsrecht sind existenzsichernde Regelungen enthalten. So geht es im Unterhaltsrecht um das Einstehen nahe stehender, weil verwandter Privatpersonen füreinander. Der unterhaltsrechtliche Mindestbedarf und der konkrete Unterhaltsanspruch für Kinder richten sich hierbei grundsätzlich nach dem Alter des Kindes und der individuellen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Das Unterhaltsrecht ist daher in hohem Maße bemüht, die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Auf Grund der verschiedenartigen Intentionen und Regelungserfordernisse im Sozialhilferecht, Steuerrecht und Unterhaltsrecht ist eine Vermischung oder gar Gleichsetzung dieser differenzierten Begrifflichkeiten und „Existenzminimumbeträge" nicht möglich. Dies schließt auch einen Vergleich von unterhaltsrechtlichem Regelbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle mit den typisierten steuerlichen Freibeträgen für Kinder ein.
Gleichwohl möchte die Bundesregierung mit der Reform des Unterhaltsrechts u. a. eine gesetzliche Definition des Mindestunterhalts für Kinder als Bezugsgröße für den Unterhalt und eine vereinfachte Kindergeldverrechnung in das BGB einführen, wodurch auch die Regelbetragsverordnung entbehrlich würde: Der Mindestunterhalt für Kinder wird dann in Anlehnung an den Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) definiert. Dies wird zu mehr Normenklarheit und einer weitgehenden Harmonisierung des Unterhaltsrechts mit dem Steuerrecht führen. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist noch in diesem Jahr zu erwarten.“
Sehr geehrter Herr Wasser, ich hoffe, diesmal Ihre Frage hinreichend beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Ulrich Krüger, MdB