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Hans-Ulrich Krüger
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Frage von Matthias K. •

Frage an Hans-Ulrich Krüger von Matthias K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Krüger,

Sie haben für das sog. BKA-Gesetz gestimmt.

Warum gilt dieses "Überwachungsstaat-Gesetz" nicht für Abgeordnete?

Wir alle müssen uns sekündlichen Überwachungen aussetzen, aber die Politiker sind davon nicht betroffen.

Heißt das, daß jeder der 82 Mio. Bürger in diesem Land ein potentieller Terrorist sein könnte, aber keiner der über 600 Bundestagsabgeordneten?

Sind nicht alle Bürger gleich? Oder gibt es auch in unserer Demokratie "Gleichere"?

Besten Dank im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Krist

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Krist,

vielen Dank für Ihre Anfrage über „abgeordnetenwatch.de“

Unsere Verfassung gewährleistet den Abgeordneten des Deutschen Bundestages gem. Art. 42 II – IV GG sog. Immunität. Danach wird jedem Abgeordneten - die nur mit Genehmigung des Bundestages aufhebbare, zeitlich aber auf Dauer des Mandats beschränkte – Freiheit vor Strafverfolgung gewährt. Dies gilt nicht für zivilrechtliche Ansprüche.

Grund dieser Regelung sind historische Gegebenheiten. Jeder Abgeordnete - die ja nach dem Grundgesetz Volksvertreter für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind – müssen vor Behinderungen und Verfolgung durch die Exekutive geschützt sein. Dies war das Ergebnis der Verfassungsmütter- und Väter aus den Erfahrungen der Weimarer Republik und der Nazi-Diktatur. Heute stehen als Rechtfertigung der Immunität vor allem die Funktionsfähigkeit und das Ansehen des Parlaments im Vordergrund.

Dies bedeutet aber nicht, dass ein Abgeordneter für eine von ihm rechtswidrig begangene Tat straffrei bleibt. Der Deutsche Bundestag hat mit seinem Beschluss „betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages“ (Anlage 6 zur GOBT – Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages -) grundsätzlich die Durchführung von Ermittlungsverfahren genehmigt. Der Immunitätsausschuss prüft für konkrete Fälle, ob diese Genehmigung zutrifft oder ob es sich um Verfahren im Zusammenhang mit Beleidigungen politischen Charakters handelt.

Des Weiteren können sich Abgeordnete, ebenso wie u.a. die Berufsgruppen der Journalisten, Ärzte, Priester und auch Rechtsanwälte auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Dies ist auch wichtig, da somit bei Weitergabe von „sensiblen“ Informationen Dritter, die Vertrauensgrundlage von Informant und Mandatsträger geschützt wird. Kein Abgeordneter, kein Journalist und auch kein Rechtsanwalt sollte in Ausübung seines Mandats oder Berufs dazu gezwungen werden, Kenntnisse von Informanten (auch wenn diese strafrechtlich verfolgt werden), an Ermittlungsbehörden weitergeben zu müssen. Dies ist Ausfluss unseres Demokratie- und Rechtsstaatssystems und gewährleistet letztendlich die Unabhängigkeit des parlamentarischen Mandats.

Insofern sind Abgeordnete nicht „gleicher“ als Nicht-Abgeordnete, ihr parlamentarisches Mandat wird von der Verfassung lediglich anders geschützt. Dies – ich wiederhole das noch einmal – bedeutet nicht, dass Abgeordnete, die eine Straftat begehen, straffrei bleiben und sie sich den strafprozessualen Ermittlungen auf Dauer entziehen können.

Lassen Sie mich aber auch noch ein paar Worte zu dem von Ihnen erwähnten BKA-Gesetz machen:

Es ist unzutreffend, dass nach diesem Gesetz 82 Mio. Bürger in unserem Staat potentielle Terroristen sein können und wir uns „sekündlichen Überwachungen“ aussetzen.
Fakt ist, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch in Zukunft eine der zentralen Herausforderungen unseres freiheitlich demokratischen Rechtsstaats ist. Das neue BKA-Gesetz ist somit die notwendige Antwort, diesem – für uns alle bestehenden – Gefahrenpotential entgegen zu treten.

Dabei umfasst das Gesetz bekannte und bewährte polizeiliche Standardbefugnisse, wie die Vorladung und die erkennungsdienlichen Maßnahmen. Einzig neue Befugnis ist die sog. Online-Durchsuchung. Leider scheint es immer öfter so zu sein, dass terroristische Anschläge über das Internet geplant und koordiniert werden. Dies bedeutet aber auch, dass die Polizei in der Lage sein muss, terroristische Kommunikation zu überwachen, um überhaupt eine Chance zu erhalten, Terrorismus effektiv zu bekämpfen. Gerade wir Sozialdemokraten haben deshalb die rechtsstaatlich einwandfreie Qualität des Gesetzes maßgeblich beeinflusst.

So kann eine Online-Durchsuchung grundsätzlich nur unter sehr hohen Hürden durch einen Richter angeordnet werden. Die Privat- und Intimsphäre (vom Bundesverfassungsgericht als Kernbereich privater Lebensgestaltung bezeichnet) der von einer Online-Durchsuchung erfassten Person wird durch den unabhängigen Datenschutzbeauftragten des BKA geschützt. Im Zweifelsfall müssen die ermittelten Daten gelöscht werden. Dieser Prozess muss dokumentiert werden und kann zudem vom Bundesdatenschutzbeauftragten jederzeit kontrolliert werden. Im Übrigen möchte ich erwähnen, dass das BKA in den letzten 10 Jahren gerade mal 2 Rasterfahndungen durchgeführt hat. Von 2001 – 2007 gab es 7 Wohnraumüberwachungen.
Sie sehen also, dass die prozessualen Möglichkeiten der Überwachung nur sehr restriktiv genutzt werden können und ein möglicher Missbrauch durch umfangreiche Kontrollmechanismen minimiert wird.

Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit bleibt somit m.E. gewahrt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hans-Ulrich Krüger