Frage an Hans-Ulrich Krüger von Dr. Helmut G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Krüger,
die SPD kann - ungeachtet ihrer derzeitigen Identitäts- und Akzeptanzprobleme - auf eine lange Geschichte zurückblicken, in der sie sich bemüht hat, die Interessen der benachteiligten Bevölkerungsschichten durch politische und gesellschaftliche Reformen zu vertreten. Das Akzeptanzproblem teilt sie mit allen etablierten Parteien. Wie zahlreiche (auch internationale) Untersuchungen zum Wählerverhalten zeigen, ist dieses Problem eng verbunden mit dem politischen Alleinvertretungsanspruch der Parteien in der repräsentativen Demokratie und der dementsprechenden (systembedingten) Abwertung des politischen Einflusses der Bürger für die Dauer der Legislaturperiode ("Zuschauerdemokratie"). Namhafte Kritiker (z.B. die Professoren von Arnim u. G. Schwan oder die Bundespräsidenten von Weizsäcker und Köhler) haben auf die systemimmanenten Ursachen der "Parteienverdrossenheit" verwiesen, die bei immer mehr Bürgern den Eindruck hervorruft, nur noch als Stimmvieh für ritualisierte Wahlen gebraucht zu werden, aber selbst keinen Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten und darüberhinaus auf wichtige politische und gesellschaftliche Entscheidungen nehmen zu können.
Angesichts dieser Problematik wäre ich Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Krüger, für die Beantwortung folgender Fragen dankbar:
1. Setzen Sie sich für die Einführung bundesweiter Volksabstimmungen ein?
2. Falls ja, mit welchen öffentlichen Stellungnahmen und Aktionen?
3. Sind Sie bereit, entsprechende Bemühungen der Basisbewegung "Mehr Demokratie e.V." durch ein Statement auf der Internetseite von "www.volksentscheid.de" unterstützen?
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Gassen
Sehr geehrter Herr Dr. Gassen,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema direkte Demokratie über „abgeordnetenwatch.de“.
Die Position der SPD hat sich nicht verändert.
Insofern hat mein an Sie formuliertes Schreiben vom 18.05.2006 nach wie vor Gültigkeit.
Dort hieß es u.a.:
„Die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits 1993, im Anschluss an die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission, einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem ein Volksentscheid auf Bundesebene ermöglicht werden sollte. Im Jahr 2002 hatten wir zusammen mit dem damaligen Koalitionspartner erneut einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid eingebracht. Da es sich um eine Verfassungsänderung handeln würde, bedürfte es aber einer Mehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat, die nicht zustande kommt, solange die CDU/CSU-Fraktion das Vorhaben ablehnt. Im Jahr 2004 haben wir deshalb nochmals versucht, die CDU/CSU-Fraktion umzustimmen, was damals leider nicht gelungen ist. Wir haben das Vorhaben trotzdem weiter verfolgt. Daher stand im Wahlmanifest der SPD zur Bundestagswahl 2005: „Wir brauchen mehr direkte Demokratie und damit den Volksentscheid.“ Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU konnte 2005 leider nur vereinbart werden: „Die Einführung von Elementen der direkten Demokratie werden wir prüfen.“
Die CDU/CSU-Fraktion hält aber bis jetzt an ihrer überkommenen Auffassung fest, weshalb das Vorhaben in dieser Wahlperiode erneut zum Scheitern verurteilt ist.
Den Standpunkt der SPD haben wir nochmals im Hamburger Parteiprogramm von 2007 mit den Worten bekräftigt: „Der Verbindung von aktivierendem Staat und aktiver Zivilgesellschaft dient auch die direkte Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide. In gesetzlich festzulegenden Grenzen sollen sie die parlamentarische Demokratie ergänzen, und zwar nicht nur in Gemeinden und Ländern, sondern auch im Bund.“
Das Thema wird deshalb auf der Tagesordnung bleiben.
Diese Unterstützung habe ich auch in einem Statement auf der Internetplattform des Vereins „Mehr Demokratie“ dargelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Ulrich Krüger, MdB