Frage an Hans Peter Thul von Silvie R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Thul,
Wir, die Menschenrechtsgruppe des Landschulheims am Solling in Holzminden haben uns mit dem Thema Rechtsextremismus intensiv auseinander gesetzt und sind bei unseren umfangreichen Recherchen auf den Begriff „Hasskriminalität“ gestoßen.
Dabei sind wir auf den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 04.07.08 zur Änderung des Strafgesetzbuches in Bezug auf die oben genannte Hasskriminalität aufmerksam geworden.
Wir stehen diesem Gesetzentwurf einheitlich positiv gegenüber und würden gerne wissen, in wie fern sich der Bundestag bis jetzt mit der Materie beschäftigt hat und welche Position Sie bzw. Ihre Partei beziehen.
Natürlich ist uns bewusst, dass Richter schon heute den Aspekt der Hasskriminalität strafverschärfend einbeziehen können. Unserer Meinung nach reicht es nicht, dass Richter dies fakultativ tun können, da dies anscheinend nicht in einem angemessenen Rahmen angewendet wird und es so zu unterschiedlichen Urteilen kommt.
Ferner ist es uns klar, dass man dem Phänomen Rechtsextremismus nicht allein mit dem Strafrecht (Verschärfung durch den Straftatbestand der Hasskriminalität ) beikommen kann.
Dennoch schätzen wir das Abschreckungspotential des Entwurfes bei rechtsradikalen Straftätern hoch ein, da die bestehenden Gesetze bisher diesen Aspekt nur unzureichend abdecken.
Daneben muss natürlich viel in Aufklärung und Bildung investiert werden, doch wenn hier nicht hohe Millionenbeträge in die Hand genommen werden, ist dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt.
Uns ist ebenfalls bekannt, dass das Jugendstrafrecht unter der Prämisse des Erziehens statt Strafens steht. Trotzdem finden wir, dass man den Aspekt der Hasskriminalität auch im Jugendstrafrecht Geltung verschaffen sollte, um potentielle Opfer effektiver schützen zu können. Die aktuelle Tendenz belegt, dass die rechtsradikalen Gewalttäter immer jünger werden.
Wir bitten Sie hiermit um eine Stellungnahme zu den angesprochenen Problemen.
MfG
Stellvertretend für die Menschenrechtsgruppe des LSHs
S. Rohr
Sehr geehrte Frau Rohr,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage vom 23.01.2009 zum Thema "Hasskriminalität". Gerne beantworte ich Ihre Fragen.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates vom 04.07.2008 wurde dem Bundestag bereits zugeleitet, aber noch nicht beraten. Zuvor wird der Entwurf mit der Drucksachen-Nummer 16/10123 zur Prüfung und Beratung in die zuständigen Fachausschüsse verwiesen. Bitte haben Sie daher Verständnis, dass ich mich mit der Thematik noch nicht im Einzelnen befassen konnte.
Nichts desto trotz teile ich das dem Entwurf zugrundeliegende politische und auch rechtliche Anliegen, vorurteilsbedingte Gewaltkriminalität - eben die sogenannte "Hasskriminalität" - zu bekämpfen und derartige Tendenzen zu vermeiden. Unser Rechtstaat ist der Freiheit und der Gleichheit eines jeden einzelnen Menschen, aber auch derjenigen Personen, die die gleichen Merkmale aufweisen, verpflichtet. Taten, die die betroffenen Opfer und deren Menschenwürde verletzen und darüber hinaus die Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens einer zivilisierten und aufgeklärten Gesellschaft bedrohen, müssen konsequent und nachhaltig geahndet werden.
Weiterhin gehe ich damit konform, diese Ansätze mit den rechtlich möglichen Mitteln schon in der Entstehung zu unterdrücken und Menschen mit der Neigung zu diesen Taten bereits im Vorfeld deutlich von der Verwirklichung eines entsprechenden Gedankens abzuschrecken. Nur durch das Zusammenspiel der beiden Komponenten Ahndung und Prävention kann jedem einzelnen Mitglied einer Gesellschaft Sicherheit geboten werden.
Dieses zielgerichtete Zusammenwirken wird meiner Meinung nach aber nur durch eine präzise bedachte und flexible sowie schnell umsetzbare Regelung im Strafgesetzbuch unterstützt. Wie genau diese im Einzelnen aussehen muss und ob dies unter einer Änderung der geltenden Rechtslage erreicht werden kann, bleibt von den zuständigen Fachleuten in den kommenden Anhörungen unter Heranziehung von Sachverständigen sorgfältig zu prüfen. Im Rahmen dieser genauen Beschäftigung mit den einzelnen rechtlichen Regelungen und deren Auswirkungen auf weitere Gesetze wie auch das Jugendstrafrecht und die Strafverfolgung werden das Für und Wider von rassistischen Beweggründen, aber auch weitere als "Hasskriminalität" zu beurteilende Beweggründe wie das äußere Erscheinungsbild, sexuelle Ausrichtung oder der gesellschaftliche Status - um nur einige Beispiele zu nennen - als strafverschärfende Merkmale abzuwägen sein.
Ich werde Ihre Denkanstöße in jedem Fall in meinen Gesprächen mit den zuständigen Mitgliedern meiner Fraktion einbringen und bedanke mich vorerst für Ihre Eingaben.
Mit besten Grüßen
Hans Peter Thul