Frage an Hans Peter Thul von Wolfgang G. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Thul,
Der Lkw-Verkehr ist in Deutschland in den letzten Jahren rasant gewachsen ist und Experten gehen von einer Steigerung des Straßengüterfernverkehrs von 84% bis 2025 aus.
Grundvoraussetzung für eine wirksame Verlagerung wäre, dass qualitativ und quantitativ echte Alternativen zur Straße zur Verfügung stehen. Besonders dramatisch sind die mangelnden Alternativen im Güterverkehr. Und das ist Europaweit ein hausgemachtes Problem.
Anstatt konsequent auf den Güterschienenverkehr zu setzen leisten wir uns weiterhin den Luxus in erster Linie Neubaustrecken für den schnellen Personenverkehr zu bauen, auf denen auch der eine oder andere Güterzug fahren darf. Die Entmischung des Personen und Güterverkehrs lässt sich bei einer solchen Investitionspolitik nicht erreichen. Das ein ICE oder TGV mit 300 km/h sich nicht mit einem 80 km/h schnellen Güterzug die gleiche Trasse effizient teilen kann, versteht sich von selbst. Was fehlt sind klare Konzepte, wie die Qualität und Quantität auf der Schiene gesteigert werden kann.
Ein positives Beispiel für die gelungene Kooperation von Straße und Schiene ist der Erfolg des Kombinierten Verkehrs. D. h. die Verlagerung auf Container, die auf der Schiene transportiert werden. Die entsprechenden Kapazitäten sind aber bereits völlig ausgelastet und müssten deutlich erhöht werden. Die Umschlagsbahnhöfe müßten schnell ausgebaut werden. Allerdings hat auch der Kombiverkehr das oben genannte Problem, dass der Investitionsschwerpunkt bei der Schiene immer noch sehr einseitig auf dem Personenschnellverkehr liegt, so dass die Kapazitäten begrenzt bleiben.
Ich denke, dass hier die Politik gefordert ist, die Weichenstellungen Richtung Bahn zu verändern.
Wie stellen Sie sich zu diesem Problem?
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Giese
Sehr geehrter Herr Giese,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihre interessanten Ausführungen. In den vergangenen Jahren als Mitglied des Niedersächsischen Landtages und als Mitglied des Deutschen Bundestages habe ich zahlreiche Betriebe, Unternehmen und auch Konzerne aller Größenordnungen besucht. Mein Eindruck von den Entwicklungen im Güterverkehr deckt sich eher nicht mit den von Ihnen beschriebenen Ideen und Visionen für den Schienenverkehr. Das Motto "Von der Straße auf die Schiene" war immer ein politisches - propagiert zumeist von der Partei Bündnis90/Die Grünen. Die Notwendigkeiten, die sich heute aus der Realität unternehmerischen Handelns ergeben, sind andere - und diese Realität spiegeln auch die von Ihnen selbst zitierten Zuwachsraten beim Straßengüterverkehr wider. Unternehmen haben heute immer geringere Lagerkapazitäten, geliefert wird "just in time" durch gegenüber der Schiene wesentlich flexiblere LKW. "Unser Lager ist die Straße", ist eine oftmals zu hörende Aussage. Die Unternehmen wollen diese Entwicklungen, weil sie Unabhängigkeit und Flexibilität auch bei kurzfristigen Auftragsschwankungen verspricht. Wenn ich Unternehmen in unserer Region besuche, bekomme ich unisono den identischen Wunsch nach einer besseren Straßenverkehrsanbindung zu hören. Für den heimischen Mittelstand ist die Deutsche Bahn in den allermeisten Fällen keine ausreichende Alternative.
Mit den besten Grüßen
Hans Peter Thul