Frage an Hans-Peter Mayer von Franz I. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Mayer,
am Donnerstag, 12. Februar 2009, sollen im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments sogenannte Monopolrechte zusätzlich zum Urheberrecht von bislang 50 auf 95 Jahre verlängert werden. Damit würden die Rechte von Künstlern und Musikern geschützt, hieß es. Eine Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht bezeichnet die Vorschläge der Kommission, die Ihnen zur Abstimmung vorliegen, als "Augenwischerei" und "unausgegoren" - http://www.ip.mpg.de/ww/de/pub/aktuelles/eu__fristverl_ngerung_verwandt.cfm
Inwieweit dient eine 95-jährige Schutzfrist (in Worten: fünfundneunzig Jahre!) wirklich den Interessen von Musikern und Künstlern? Werden hier nicht eher die Rechte der Rechteverwerter, sprich der Musik- und Tonträger-Industrie, bedient?
Ich bitte Sie, im Interesse der Freiheit von forschenden Wissenschaftlern, zugunsten von ausübenden Musikern, die mittlerweile klassisch gewordene Stücke aus den fünfziger Jahren lizenzfrei interpretieren möchten, und für uns alle, die wir freie Musik lieben, das Lobby-Papier der Musikindustrie abzulehnen.
Mit freundlichen Grüßen,
Franz Isfort
Sehr geehrter Herr Isfort,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 11.02.2009. Da Hannover von Herrn Dr. Hoppenstedt MdEP betreut wird, habe ich Ihre Anfrage an sein Büro weitergeleitet. Sie werden von dort eine Antwort erhalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Wenke Gedeon
Büro Prof. Dr. Hans-Peter Mayer MdEP
Sehr geehrter Herr Isfort,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 11. Februar 2009, bezüglich der Abstimmung im Rechtsauschuss zur Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte am 12. Februar 2009.
Die geplante Änderung der Richtlinie 2006/116/EC, über die im Rechtauschuss abgestimmt wird, hat das Ziel die soziale Lage der Künstler, insbesondere von Studiomusikern, zu verbessern. Dabei will man berücksichtigen, dass immer mehr Künstler ihren derzeit 50 Jahre bestehenden Schutz für ihre Leistungen überleben.
Die gemachten Vorschläge stehen vor dem Hintergrund, dass die groß angelegte Herstellung von Tonträgern in den 1950er Jahren begann. Werden keine Änderungen eingeführt, so werden in den kommenden zehn Jahren immer mehr Stücke, die im Zeitraum 1957 bis 1967 aufgenommen und herausgegeben worden sind, ihren Schutz verlieren. Wenn das auf einem Tonträger aufgenommene Stück nicht mehr geschützt ist, werden rund 7000 Interpreten in jedem der großen Mitgliedstaaten und eine entsprechend kleinere Zahl von Künstlern in den kleineren Mitgliedstaaten ihr gesamtes Einkommen verlieren, das sie in Form von Lizenzeinnahmen und gesetzlichen Entgelten erhalten, wenn ihr Stück öffentlich gesendet oder in Bars und Diskotheken gespielt wird.
Davon betroffen sind bekannte Künstler (die vertragliche Lizenzeinnahmen erhalten), vor allem aber Tausende von unbekannten Studiomusikern (die keine Lizenzeinnahmen erhalten und einzig auf die gesetzlichen Entgelte angewiesen sind), die Ende der 50er und in den 60er Jahren an Aufnahmen mitgewirkt und ihre Exklusivrechte gegen eine Pauschalzahlung an die Plattenproduzenten abgetreten haben ("Buy-Out"). Ihre "einzige angemessene Vergütung" für die öffentliche Sendung und Wiedergabe, die nie der Plattenfirma übertragen wird, würde wegfallen.
Darüber hinaus zielt der Vorschlag auch darauf ab, eine einheitliche Art und Weise zur Berechnung der Schutzdauer für musikalische Kompositionen mit Texten, unter Mitwirkung von mehreren Autoren, einzuführen. In den verschiedenen Mitgliedsstaaten sind diese entweder als einziges Werk gemeinsamer Urheberschaft mit einer einheitlichen Schutzdauer, ausgehend vom Tod des letzten überlebenden Co-Autors oder als separate Werke mit separaten Laufzeiten ausgehend vom Tod jedes mitwirkenden Autors.
Dies bedeutet, dass in manchen Mitgliedsstaaten, eine solche Komposition bis 70 Jahre nach dem Tod des letzten beteiligten Autors geschätzt wird, während in anderen Mitgliedsstaaten jeder Beitrag seinen Schutz verliert sobald ihr Autor verstirbt. Diese Fristenunterschiede führen zu Schwierigkeiten bei der Verwaltung von Urheberrechten gemeinschaftlicher Arbeiten in der Gemeinschaft. Hierdurch ebenfalls entstehen Schwierigkeiten, gibt es bei der grenzüberschreitenden Verbreitung von Lizenzgebühren für eine Verwertung in verschiedenen Mitgliedsstaaten.
Die wichtigsten Punkte des Vorschlags zur Änderung von Direktive 2006/116/EC sind daher die Erhöhung der Schutzdauer von 50 auf 95 Jahre, sowohl für die Tonträger, als auch das darauf enthaltende Werk. Das Ziel der Maßnahmen in Artikel 10a ist im Wesentlichen sicherzustellen, dass unterstützte und nicht unterstützte Künstler deren Werke sich auf Tonträgern befinden, von der vorgeschlagenen Verlängerung auch profitieren. Außerdem bemüht sich der Artikel um die Behebung der Situation, dass Studiomusiker um eine vertragliche Beziehung mit einem Plattenproduzenten zu schließen, oft ihre ausschließlichen Rechte zur Vervielfältigung, Verbreitung und Bereitstellung gegen eine einmalige Zahlung abtreten müssen.
Die vorgeschlagene Lösung für das "buy-out" ist, dass Studiomusiker einen Anspruch auf eine jährliche Zahlung aus einem speziellen Fonds erhalten. Zur Finanzierung dieser Zahlungen sollen Produzenten verpflichtend mindestens einmal jährlich 20% ihrer Einnahmen aus ihren exklusiven Rechten leisten.
Die Einnahmen durch öffentliche Ausstrahlung und die Kompensation für private Kopien sollen dabei nicht in die Einnahmen der Produzenten einbezogen werden, zum Vorteil der Studiomusiker, da diese sekundären Ansprüche nicht an Plattenproduzenten übertragen werden.
Darüber hinaus wurde eine "Use-it-or-lose-it" Klausel vorgeschlagen, durch die ein Rückfall der Rechte bei Nichtnutzung bewirkt werden kann. Ein weiterer Zweck der Klausel ist es, sicherzustellen dass Tonträger, welche weder Plattenproduzenten noch Künstler nutzen möchten, nicht "gesperrt" sind. Dies bedeutet ebenfalls, dass verwaiste Tonaufzeichnungen, für die kein Tonträgerhersteller und Künstler identifiziert oder gefunden werden kann, von der Klausel profitieren. Alle Arten von Tonträgern, die nicht genutzt werden, würden daher für die Öffentlichkeit frei zugänglich.
Und zuletzt, wenn ein Musikstück mit Liedtexten veröffentlicht wird, soll der Zeitraum des Schutzes (70 Jahre) vom Zeitpunkt des Todes der letzten beteiligten Person an berechnet werden, d.h. Autor der Liedtexte oder Komponist der Musik.
Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat am 12. Februar, die so genannte McCreevy-Richtlinie angenommen. Ein Zugeständnis an die aufgekommene Kritik, ist die Aufforderung an die EU-Kommission drei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Regelung zu überprüfen, inwieweit sich die soziale Situation von Musikern tatsächlich verbessert hat und diese Überprüfung alle vier Jahre zu wiederholen. Als Ergebnis wird die Richtlinie nun dem Plenum vorgelegt, das am 2. März darüber abstimmen soll.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Vorteile und den Hintergrund der Initiative deutlich machen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Dr. Karsten Hoppenstedt