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Hans-Peter Bartels
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Frage von Volkmar S. •

Frage an Hans-Peter Bartels von Volkmar S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Bartels,

wie ich ersehe, haben Sie sowohl bei der Abstimmung zum Fiskalpakt als auch zum ESM mit JA gestimmt obwohl hier die Zukunft Deutschlands, nach Meinung vieler Bürger, ausverkauft wird.
Ich frage Sie deshalb, haben Sie den ESM Vertrag oder zumindestens Teile dessen gelesen und wenn ja, auch verstanden? Ist Ihnen eigentlich klar, das Sie mit Ihrer Stimme der Schaffung einer Mammutbehörde zugestimmt haben, die zukünftig über die gewaltige Summe von vorerst (Art.8 des ESM Vertr.) fünfhundert Milliarden Euro Grundkapital und dann aufgestockt über siebenhundert Milliarden Euro und anschließend über eine Billion Euro verfügen und diese Geldsumme nach Gutdünken verteilen kann, ohne das Sie oder die Bundesregierung auch nur ein Veto einlegen kann? (Art.9) Kapitalabruf: Die ESM Mitglieder sagen hiermit bedingungslos und unwiderruflich zu, bei Anforderung jeglichem Kapitalabruf binnen sieben Tagen nach Aufforderung nachzukommen. Bedingungslos und Unwiderruflich! Art.10 sagt, das der Gouverneursrat das Grundkapital nach Art. 8 jederzeit aufstocken kann, für Sie bedingungslos und unwiderruflich.
Ist Ihnen klar, das Sie oder die Bundesregierung zukünftig diese Mammutbehörde weder gängeln, noch haftbar machen oder gar verklagen können? Lesen Sie den Art.27. Der ESM verfügt über volle Rechts und Geschäftsfähigkeit FÜR DAS ANSTRENGEN von GERICHTSBARKEIT. Dagegen genießt der ESM, sein Eigentum und seine Finanzmittel umfassende gerichtliche Immunität. Sie können den ESM NICHT VERKLAGEN oder Verantwortlich machen. Weder die Bundesregierung oder ein deutsches Gericht. Art.30 beschreibt die Immunität sämtlicher beim ESM tätigen Personen. Sie können nicht haftbar gemacht werden. Können Sie das verantworten? Da dieser ESM unser Volk spaltet, wäre eine Volksbefragung angebracht um dann nach dem Willen des Volkes zu entscheiden. Und hier frage ich den Bürger Dr. Bartels. Würden Sie als Bürger, ohne Fraktionszwang, dem ESM zustimmen?

M.f.G.
Volkmar Swieder

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Swieder,

Dank für Ihre weitere Anfrage. Das Parlament ist nur arbeitsfähig, wenn es – wie dies in allen anderen Bereichen der Gesellschaft auch ist – sich arbeitsteilig organisiert. Deshalb: Nein, ich lese nicht alle 13.000 Bundestagsdrucksachen einer Wahlperiode selbst. Dafür viele andere Papiere, die „meinen“ großen „Spezial“-Bereich (Verteidigung) betreffen. Von den jeweiligen Fachleuten meiner Fraktion wurden meine Fraktionskollegen und ich - wie bei anderen wichtigen Themen - umfassend über Ziele, Inhalte und Maßnahmen von ESM und Fiskalpakt informiert. Daneben gab es eine Reihe von externen Expertengesprächen, an denen auch ich teilgenommen habe, und große Aussprachen in der Fraktion. Auf dieser Grundlage habe ich mich entschieden, für diese Verträge zu stimmen.

Lassen Sie mich erklären, warum ich dies für richtig halte:

Hinter uns liegen Monate, in denen sich die Krise in Europa weiter zugespitzt hat. Und auch jetzt wird niemand sicher vorhersagen können, ob die Maßnahmen, die nun ergriffen werden sollen, zu hundert Prozent ihre erhoffte Wirkung erzielen werden. Aber eines ist sicher: Zieht sich Deutschland als stärkste Kraft Europas jetzt aus seiner Verantwortung, wird es mehr Verlierer als „nur“ Griechenland oder Spanien geben. Auch uns in Deutschland wird es nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht. Der Preis, den Deutschland für das Scheitern der Währungsunion zu zahlen hätte, ist kaum bezifferbar. Ökonomisch träfe es nicht nur Staat, Banken und Sparer, sondern auch unsere Industrie und unseren Mittelstand. Erneut wären die 2008 und 2009 mühsam gesicherten Arbeitsplätze gefährdet. Gerade deshalb müssen wir mit allen Möglichkeiten für Europa eintreten. Die politischen Kosten einer Renationalisierung Europas wären desaströs.

Was manche Befürchtungen hinsichtlich fehlender Kontrollmechanismen und möglichen Missbrauchs beim ESM angeht, so werden Beschlüsse über Hilfeleistungen durch den ESM und Mandatierungen der EU-Kommission zur Aushandlung der entsprechenden Auflagen sowie Beschlüsse zur Veränderung der finanziellen Ausstattung des ESM und des Ausleihvolumens im so genannten „Gouverneursrat“ – bestehend aus den Finanzministern der Eurogruppe – grundsätzlich einvernehmlich gefasst (Enthaltungen stehen einer Beschlussfassung nicht entgegen). Im Rahmen seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung bleibt das Plenum des Deutschen Bundestages für alle Grundsatzentscheidungen über die Gewährung von Hilfen verantwortlich (Ausnahmen: Eilbedürftigkeit, besonderes Verfahren bei Hilfen durch Anleihekäufe). Seine Entscheidung bindet den deutschen Vertreter im Gouverneursrat.

Die SPD hat ihre Zustimmung zum Fiskalpakt und zum ESM-Vertrag an weitgehende Forderungen geknüpft und mit der Bundesregierung in mehreren Verhandlungsrunden hart um eine gemeinsame Linie gerungen. Wir konnten wesentliche Punkte durchsetzten – vor allem die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die Verständigung auf einen europäischen „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“: Denn ohne starke ökonomische Basis wird jede Schuldenbremse Makulatur. Die Beteiligung des Parlaments war Voraussetzung für das Inkrafttreten der Verträge.

Dass sich die Bundesregierung zu erheblichen Impulsen für Wachstum und Beschäftigung bekennt, ist ein wichtiger Schritt, aber auch ein Eingeständnis dafür, dass das Krisenmanagement von Frau Merkel bisher halbherzig war.

Hoffen wir, dass die neuen Beschlüsse nun Wirkung entfalten und Europa stabil bleibt.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Bartels