Frage an Hans-Peter Bartels von Hans-Joachim B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Bartels,
mit Überraschung und zugegebenermaßen einiger Genugtuung habe ich die 180-Grad-Wende der SPD bezüglich des Internetsperrengesetzes aufgenommen.
Ihr Kollege Herr Dörmann schreibt dazu auf abgeordnetenwatch:
"Netzpolitisch haben alle Parteien großen Nachholbedarf. Wir hinken manchen Entwicklungen bislang hinterher. Aber Politik ist ein lernender Prozess. Und klar, auch die SPD kann und muss dabei besser werden."
Den Eindruck teile ich. Gerne würde ich wissen, wie weit diese Lernfähigkeit bei Ihnen und ihrer Fraktion insgesamt gereift ist.
Ich habe die mündliche Anhörung beim Bundesverfassungsgericht und insbesondere die Ausführungen der Experten aufmerksam verfolgt. Offensichtlich können die Vorratsdaten nicht vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden, die Erstellung umfassender Bewegungsprofile ist möglich und es können bei Auswertung der Daten weitreichende Rückschlüsse auf Persönlichkeit und Beziehungsgeflechte von jedem telekommunizierendem Deutschen gezogen werden.
Die Verfassungsrichter schienen von diesem Szenario nicht sonderlich angetan gewesen zu sein.
Würden Sie mit ihrem heutigen Wissen und angesichts der Erkenntnisse aus der laufenden Verfassungsbeschwerde erneut für das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung stimmen? Und falls Sie das beantworten können: Glauben Sie das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wäre in der heutigen SPD-Fraktion noch mehrheitsfähig.
(Nebenbei: Ich bin der Überzeugung, dass es unserem Rechtsstaat nicht guttut, wenn die beiden größten Parteien auch die beiden größten Bürgerrechtsbeschneider sind. Gerne würde ich die SPD als starke Opposition gegen den Überwachungswahn der Union sehen, dann könnte ich auch mal wieder etwas mit meiner Erststimme anfangen...)
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Berger
Sehr geehrter Herr Berger,
Dank für Ihre Fragen. Ich habe mich in diesem Forum zu den möglichen Bedenken des Bundesverfassungsgerichtes in Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung schon einmal geäußert. Mein Standpunkt in dieser Angelegenheit ist unverändert:
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der Staat die Dauer der Datenspeicherung durchaus regeln kann, er darf die Daten jedoch nicht zu jedem beliebigen Zweck auswerten. Geklärt werden soll nun, inwieweit die Datenauswertung Rückschlüsse auf das Kommunikationsverhalten sowie das soziale Umfeld zulässt. Zur Prüfung und Bewertung dieser Frage hat das Gericht Gutachter um Stellungnahme gebeten. Das BVerfG hat das geltende Gesetz jedoch bewusst nicht außer Kraft gesetzt, um nicht in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers einzugreifen. Es hat jedoch verfügt, dass Telekommunikationsdaten bis auf weiteres nur bei schweren Straftaten von den Ermittlern eingesehen werden dürfen und nicht bei weniger schweren Tatbeständen. Dies gilt solange, bis das Gericht eine endgültige Entscheidung getroffen hat. Es ist gewiss gut, wenn es hier zu einer höchstrichterlichen Klärung kommt.
Prinzipiell halte ich es für richtig, dass Ermittler im digitalen Zeitalter auch im digitalen Bereich ermitteln können. Ich nehme an, dass das auch die Mehrheit in der SPD-Bundestagsfraktion so sieht. Die Konformität mit der Verfassung muss dabei gewährleistet sein.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Bartels