Frage an Hans-Peter Bartels von Thorsten L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Bartels,
vielen herzlichen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage zu Bürgerrechten.
Ich weiß, dass sich diese Plattform nicht für Dialoge eignet, aber Ihre mutige Formulierung, die SPD sei "die Partei der Freiheit", provoziert mich dann doch zu einer weiteren abschließenden Frage. Wir reden immerhin von der Partei, deren letztes großes Überwachungsgesetz knapp 35.000 Menschen zur Verfassungsklage bewogen hat und vom Bundesverfassungsgericht per Eilverfahren zurechtgestutzt werden musste.
Dass Sie den Überwachungs- und Verbotsdrang der SPD mit den geradezu bürgerrechtsfeindlichen Positionen ihres Koalitionspartners relativieren möchten, finde ich nachvollziehbar, aber wenig befriedigend.
Zum oben angesprochenen Gesetz, der Vorratsdatenspeicherung, möchte ich Ihnen auch meine Fragen stellen.
Die aktuell dem Bundesverfassungsgericht vorgelegten Gutachten ([1],[2]) zur Vorratsdatenspeicherung belegen, dass die mit der Vorratsdatenspeicherung verdachtsunabhängig angehäuften Daten geeignet sind, von jedem Inhaber eines Mobiltelefons ein umfassendes Bewegungsprofil zu erstellen.
1) War Ihnen dieser Sachverhalt bewusst, als Sie für das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gestimmt haben?
2) Halten Sie es für verhältnismäßige Kriminalitätsbekämpfung, dass von jedem mobil kommunizierenden und unverdächtigen Bürger Daten gesammelt werden, mit denen sich nahezu vollständige Bewegungsprofile erstellen lassen?
Abschließend erlauben Sie mir bitte noch die Bemerkung, dass die Gegenposition zur Netzpolitik der SPD nicht das Internet als "rechtsfreier Raum" ist. Das ist ein Kampfbegriff, der weder die derzeitige Rechtslage noch die Zielsetzung von Überwachungsgegnern widerspiegelt. Nach dieser Definition sind vermutlich auch der Postweg und meine eigenen vier Wände "rechtsfreie Räume", nur weil sie (noch?) nicht präventiv überwacht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Lang
[1] Prof. Freiling: http://tinyurl.com/l8ff7v
[2] CCC: http://tinyurl.com/p9vcqn
Sehr geehrter Herr Lang,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zum Thema Datenschutz. In Ihrer Mail klingt die Befürchtung durch, dass die so genannte "Vorratsdatenspeicherung" dazu führe, dass von jeder und jedem, die Mobiltelefone benutzen, ein ,Bewegungsprofil´ erstellt werden könnte. Technisch mag dies möglich sein - und im Falle einer strafrechtlichen Ermittlung durch die Behörden ggf. auch notwendig. Ihre Sorge aber, dass irgendeine staatliche Stelle ein derartiges Profil nun von sämtlichen Mobiltelefonierern erstellt, ist unbegründet. Wer sollte daran ein Interesse haben? Die "Vorratsdatenspeicherung" findet bei den Telefonfirmen statt. Lediglich im Fall von begründeten Ermittlungen kann auf dort ohnehin erhobene Daten zurückgegriffen werden.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat festgestellt, dass der Staat die Dauer der Datenspeicherung durchaus regeln kann, er darf sie jedoch nicht zu jedem beliebigen Zweck auswerten. Geklärt werden soll, inwieweit die Datenauswertung Rückschlüsse auf das Kommunikationsverhalten sowie das soziale Umfeld zuläßt. Zur Prüfung und Bewertung dieser Frage hat das Gericht Gutachter um Stellungnahme gebeten. Das BVerfG hat das geltende Gesetz jedoch bewusst nicht außer Kraft gesetzt, um nicht in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers einzugreifen. Es hat jedoch verfügt, dass Telekommunikationsdaten bis auf weiteres nur bei schweren Straftaten von den Ermittlern eingesehen werden dürfen und nicht bei weniger schweren Tatbeständen. Dies gilt solange, bis das Gericht eine endgültige Entscheidung getroffen hat. Es ist gewiß gut, wenn es hier zu einer höchstrichterlichen Klärung kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Bartels