Frage an Hans-Peter Bartels von Dominik B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Bartels,
ich kann es einfach nicht fassen, dass Sie als Vertreter des Volkes dem EU-Vertrag von Lissabon zugestimmt haben. Die Souveranität unseres Landes wird auf diese Weise zerstört!
Hier findet ganz klar Hochverrat statt!
Meine Frage:
Warum haben Sie diesem Vetrag zugestimmt? Warum haben Sie uns nie gefragt ob wir damit einverstanden sind?
Ich dachte immer...die Gewalt geht von Volke aus!?
Welche Gewalt soll das sein?
Sie zu wählen, damit Sie dann unabhängig Entscheidungen treffen die mit Sicherheit nicht im Interesse des Volkes sind?
Wer hat Sie damit beauftragt diese Entscheidung für uns zu fällen?
Sehr geehrter Herr Bresa,
Dank für Ihre Fragen. Gern teile ich Ihnen mit, warum ich für den Vertrag von Lissabon gestimmt habe:
Seit der letzten Anpassung der EU-Verträge in Nizza im Jahr 2001 sind zwölf Staaten der EU beigetreten. Die EU hat sich dadurch von 15 auf 27 fast verdoppelt. Ein effektives und effizientes Handeln wurde der EU dadurch erschwert. Es ist leicht verständlich, dass 15 Staaten Entscheidungen einfacher treffen können als 27 - zumal die EU vor allem aufgrund des Beitritts der zehn ost- und mitteleuropäischen Staaten heute heterogener ist als noch vor fünf Jahren. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bringt der Vertrag von Lissabon der Europäischen Union mehr Handlungsfähigkeit, mehr Demokratie und mehr Transparenz: Die Grundrechte-Charta wird rechtsverbindlich, das Europäische Parlament (EP) wird in der Gesetzgebung gleichberechtigt und die nationalen Parlamente bekommen eine eigenständige Rolle in Subsidiaritätsfragen. Drei wichtige Fortschritte des Vertrages von Lissabon.
Sie kritisieren das Abstimmungsverfahren über die Ratifizierung:
Dem politischen System der Bundesrepublik liegt der Grundsatz der repräsentativen Demokratie zugrunde: Die in ganz Deutschland gewählten Abgeordneten vertreten die Bürgerinnen und Bürger im Deutschen Bundestag. Volksentscheide sind auf der Ebene des Bundes im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt (Ausnahme: Neugliederung der Bundesländer). Wir Sozialdemokraten haben mehrfach Initiativen zur Aufnahme von Regelungen zu Volksbegehren und Volksentscheid ergriffen. Hierfür ist eine Zweidrittel-Mehrheit zur Verfassungsänderung notwendig. Da die Union bisher bei ihrer ablehnenden Haltung bleibt, gibt es zur Zeit keine Mehrheit für die Aufnahme dieser zusätzlichen demokratischen Möglichkeit. Damit bleibt - was sonst - das Grundgesetz, so wie es heute ist, die Grundlage aller demokratischen Legitimation.
Dem Vertrag von Lissabon haben der Bundestag am 24. April 2008 und der Bundesrat am 23. Mai 2008 zugestimmt. Die vom Grundgesetz vorgegebene Zweidrittelmehrheit wurde dabei sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat deutlich übertroffen (Bundestag: 515 Ja, 58 Nein, 1 Enthaltung; Bundesrat: 1 Enthaltung, sonst Zustimmung). Die Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon in Deutschland ist deshalb verfassungsgemäß und demokratisch legitimiert.
Mit seiner Entscheidung vom 30. Juni hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass das deutsche Ratifizierungs-Gesetz zum Vertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Für das sog. Begleitgesetz verlangt das BVerfG die Aufnahme weiterer Beteiligungsrechte für Bundestag und Bundesrat bei europäischen Vertragsänderungsverfahren. Wir werden das Begleitgesetz noch in den nächsten Wochen dahingehend ändern.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Bartels