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Hans-Peter Bartels
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Frage von Peter T. •

Frage an Hans-Peter Bartels von Peter T. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Bartels,

im letzten Jahr hat der Bundeskanzler von Mai bis Juli wiederholt geäußert, eine Volksabstimmung würde das Grundgesetz "verbieten" (später sagte er sogar "ausdrücklich verbieten". Mitte Mai schon wies ich das Kanzleramt auf Artikel 20 hin: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt," erhielt aber nur ausweichende Antworten.
Erst nach mehrmaligen Nachfragen mußte ein Sachbearbeiter im Innenministerium eingestehen: "Im Grundgesetz steht nicht, dass eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung verboten ist."
Dazu aus einem Aufruf von 34 Verfassungsrechtslehrern: "Es bedarf ... lediglich der Konkretisierung dieses grundlegenden Verfassungsprinzips.
Eine einfache Frage: kennt der Bundeskanzler das Grundgesetz nicht oder hat er schlechte Berater? Wieso verbreitet er dann wochenlang diese faktisch unhaltbare Behauptung und wird nicht aus den eigenen Reihen korrigiert?
Setzen Sie sich in der nächsten Legislaturperiode dafür ein, daß das GG richtig ausgelegt wird?
Setzen Sie sich dafür ein, daß es endlich ein bundesweites Referendum gibt, wie schon seit über 50 Jahren im GG vorgesehen?
Mit freundlichen Grüßen

P Thompson

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Thompson,

mittlerweile haben sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat der EU-Verfassung zugestimmt. Ich halte dieses Verfahren für richtig. Für die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge, dazu zählt auch der Vertrag über die Europäische Verfassung, sieht das Grundgesetz die Zustimmung des Gesetzgebers vor. Für die Annahme der Europäischen Verfassung war eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Dieses parlamentarische Verfahren ist Teil unserer bewährten Verfassungswirklichkeit und Staatspraxis.

Voraussetzung für ein Referendum über die europäische Verfassung wäre eine Änderung des Grundgesetzes gewesen. Die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit ist zur Zeit weder im Bundestag noch im Bundesrat vorhanden, CDU und CSU lehnen Volksentscheide klar ab und haben in den vergangenen Jahren wenig Bereitschaft erkennen lassen, sich in dieser Frage zu bewegen. Die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben in den vergangenen Jahren mehrfach, zuletzt im Herbst 2004, die Initiative ergriffen, um Elemente der direkten Demokratie einzuführen, eine Einigung mit der Unionsfraktion in dieser Frage war aber nicht möglich.

Ich persönlich bin allerdings skeptisch, ob die vielgepriesenen plebiszitären Elemente wirklich zu mehr Demokratie führen. Unser repräsentatives System hat jedenfalls in den vergangenen 50 Jahren ganz gut funktioniert. Die Erfahrungen mit Volksentscheiden auf Ebene der Länder und Kommunen, aber auch im benachbarten Ausland, sind keineswegs nur Beleg für die Überlegenheit von direktdemokratischen Elementen. Wo es sinnvoll ist, würde ich mich nicht gegen plebiszitäre Ergänzungen unseres repräsentativen Systems sperren. Vielleicht kann dieses Instrument auf kommunaler Ebene ein Beitrag zu mehr Transparenz sein. Auf Länderebene wird es da, wo es möglich ist, kaum genutzt.

Gleichwohl sehe ich mit Sorge, dass viele Menschen der Politik mißtrauen, dass bis hinein in die seriösen Medien die Politik und ihre demokratischen Verfahren verächtlich gemacht werden. Immerhin begleitet uns das Schlagwort der „Politikverdrossenheit“ nun schon seit rund eineinhalb Jahrzehnten. Ich würde aber vorrangig dafür plädieren, den mühsamen Weg des Werbens um mehr Engagement in Parteien, Vereinen und Parlamenten zu gehen. Ich tue dies.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Bartels