Frage an Hans-Peter Bartels von Hendrik L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Bartels,
Obwohl ich selbstverständlich uneingeschränkt das Ziel der Bundesfamilienministerin teile, die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet zu bekämpfen, sehe ich den Gesetzesentwurf zur Internetzensur sehr kritisch:
1. Die Bundesregierung plant die Zensur anhand einer geheimen Sperrliste. Die Erstellung und Pflege dieser Liste unterliegt keiner richterlichen oder parlamentarischen Aufsicht, sondern liegt allein in der Verantwortung des BKAs. Dies halte ich für grundgesetzwidrig und höchst missbrauchsanfällig.
2. Kinderpornographie ist in jedem mir bekannten Land geächtet und strafbewährt. Die Organisation Childcare, die sich für Missbrauchsopfer und gegen Internetzensur (!) einsetzt, hat versuchsweise 20 internationale Provider angeschrieben, auf deren Servern Kinderpornographie abgelegt war. Binnen kürzester Zeit wurden 16 der Internetseiten abgeschaltet. Dies zeigt einerseits, dass selbst ohne polizeiliche Kompetenzen Kinderpornographie im Internet effektiv bekämpft werden kann, und andererseits, dass deutsche Strafverfolgungsbehörden mal wieder lieber neue Befugnisse verlangen, bevor sie ihre vorhanden Möglichkeiten ausnutzen.
3. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht vor, dass Zugriffe auf die geplanten "STOPP"-Seiten protokolliert und an Strafverfolger weitergeben werden. Dadurch kann gegen jeden Internetteilnehmer, der nichtsahnend auf einen böswillig präparierten Link klickt, ein Anfangsverdacht konstruiert werden, der massive Eingriffe in seine Bürgerrechte zur Folge haben kann.
Im Ergebnis plant die Bundesregierung vorsätzlich oder fahrlässig eine nicht-rechtsstaatliche Zensurinfrastruktur, mit der in Zukunft missliebige Inhalte aller Art unkontrolliert aus dem Internet gefiltert werden können.
Befürworten Sie die oben skizzierte gesetzliche Grundlage für die Zensur des Internets? Falls ja, bitte ich um Stellungnahme zu meinen Bedenken.
Mit freundlichen Grüßen
Hendrik Lauter
Sehr geehrter Herr Lauter,
vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie sich kritisch mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen auseinandersetzen.
Sexuell orientierte Gewalt gegen Kinder ist ein Verbrechen. In den vergangenen Jahren haben wir deshalb das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornographie lückenlos unter Strafe gestellt. Die Verbreitung von Kinderpornographie hat insbesondere im Internet in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Gleichzeitig ist eine Tendenz zu immer jüngeren Opfern festzustellen. Der kommerziellen Verbreitung über das Internet darf nicht tatenlos zugesehen werden. Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornographie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internprovidern heruntergenommen. Dieser direkte Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Deshalb ist es notwendig, den Zugang zu entsprechenden kinderpornographischen Internetangeboten von Deutschland aus zu sperren.
Der SPD-Bundestagsfraktion war bereits zu Beginn dieser Diskussion voll bewusst, dass wir uns in einem Spannungsfeld zwischen dem notwendigen Kampf gegen Kinderpornographie im Internet und den hierdurch immer betroffenen Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger bewegen. Deshalb haben wir stets deutlich gemacht, dass wir für eine entsprechende Internetsperre eine gesetzliche Grundlage für erforderlich halten, um rechtsstaatlichen Grundsätzen zu genügen. Wie Sie wissen, war es vor kurzem zu vertraglichen Vereinbarungen mit großen Internetprovidern gekommen, die jedoch rechtlichen Zweifeln unterliegen.
Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf verfolgen wir das Ziel, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren. Uns ist bekannt, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt aber entscheidend darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine "Stoppseite" mit entsprechenden Informationen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat durchgesetzt, dass es zu dem vorliegenden Gesetzentwurf am 27. Mai eine Anhörung des Wirtschaftsausschusses geben wird. Der Gesetzentwurf wirft naturgemäß rechtliche Fragen auf, die wir in einem transparenten parlamentarischen Verfahren erörtern müssen. Damit können wir auch die in Teilen der Internet-Community aufgeworfenen Kritikpunkte, die ihren Ausdruck in einer stark beachteten E-Petition gefunden haben, angemessen einbeziehen und erörtern. Die SPD-Fraktion wirbt dafür, das Thema Kinderpornographie im Internet mit der gebotenen Sensibilität zu behandeln. Der wichtige Kampf gegen Kinderpornographie und die Rechte der Internet-Nutzer müssen sich nicht ausschließen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren werden wir insbesondere prüfen, an welchen Stellen der Gesetzentwurf in datenschutzrechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht noch verbessert werden kann.
Eins ist allerdings klar: Weitere Schritte sind erforderlich, um Kinderpornographie effektiv zu bekämpfen. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung ein umfassendes Konzept mit weiteren konkreten Maßnahmen vorgelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Bartels