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Hans-Michael Goldmann
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Frage von Rainer B. •

Frage an Hans-Michael Goldmann von Rainer B. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Goldmann,

ich habe gerade Ihren Kommentar zu dem neuen Lebensmittelportal gelesen.

Sie sagen laut Osnabrücker Zeitung:
„Zwar seien bei manchen Kennzeichnungen von Lebensmitteln Verwirrungen zu korrigieren. Aber das ist ein gesetzgeberischer Auftrag und gehört nicht in die Hand von Verbraucherzentralen.“

Diese Aussage ist geradezu erschreckend für mich denn die Verbraucherschützer heißen so weil sie die Verbraucher schützen sollen vor den Machenschaften und Täuschungen der Industrie.
Leider gehört die FDP wohl zu den Parteien die eher die Hersteller vor den Verbrauchern schützt.

Glauben Sie wirklich dass die Verbraucherverbände hier ihre Kompetenz überschreiten?
Warum verhindert die FDP die seit langem von Verbrauchern geforderte und in England erfolgreich getestete Ampelregelung für Lebensmittel?

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Baack

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Baack,

vielen Dank für Ihre Frage vom 20.07.2011 zum Start des Internetportals „Lebensmittelklarheit.de“ und zur Ampelkennzeichnung.

Ich begrüße die Initiative vom BMELV und der Verbraucherzentrale sehr, mit dem Portal für mehr Transparenz und bessere Informationen über Lebensmittel zu sorgen und eine nötige Debatte um die Kennzeichnung von Produkten in Gang zu setzen. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Verbraucherinformation, denn Klarheit und Wahrheit in den Regalen der Supermärkte ist ein wichtiges Ziel.

Die „Prangerwirkung“ des produktbezogenen Bereiches des Portals ist meines Erachtens weiterhin kritikwürdig. Ich möchte Ihnen erläutern weshalb.

Es kann nicht sein, dass Produkte, die nach Recht und Gesetz produziert und deklariert werden, am Ende auf einer Internetseite mit Namen veröffentlicht werden. Hier geht es nicht um tatsächliche, sondern um gefühlte Verstöße. Wir sind der Meinung, dass Diskussionen über das Täuschungspotential bestimmter Gattungsbegriffe wie z.B. „Schwarzwälder Schinken“ nicht an einzelnen Produkten bestimmter Hersteller geführt werden dürfen, vielmehr sollten sie an anonymisierten Beispielen erfolgen.

Wir hätten uns gewünscht, dass neben der Verbraucherzentrale die Wirtschaft als gleichberechtigter Partner in die Initiative mit einbezogen worden wäre.

Ich halte an dem Leitbild des gut informierten und zu selbstbestimmtem Handeln befähigten mündigen Verbrauchers fest. Dazu gehört eine transparente und glasklare Kennzeichnung von beispielsweise „Klebeschinken“. Ein „Internetpranger“ ist dagegen abzulehnen und der falsche Weg gegen falsche und täuschende Kennzeichnung von Lebensmitteln vorzugehen. Erforderlich ist es, in Kooperationen mit den Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft bestehende Lücken zu schließen und Verbrauchertäuschungen zu verhindern. Hierbei muss die erfolgreiche Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft genutzt und ausgeschöpft werden. Die Arbeit und der Einsatz der Verbraucherzentralen ist hier von großer Bedeutung und wird dankbar angenommen, dennoch hat die Politik mit ihren Gesetzen für Recht und Ordnung zu sorgen. Und hat in diesem Fall nun mal den gesetzgeberischen Auftrag und die Kompetenz.

Weiterhin haben Sie nach der Ampelkennzeichnung gefragt. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen beim Kauf von Lebensmitteln über den Nährwert von Produkten informiert werden. Daher werden die meisten Produkte von den Unternehmen gekennzeichnet. Eine farbliche Bewertung der Nährwertangaben ist meiner Ansicht nach nicht sinnvoll, denn es ist nicht möglich eine für alle individuelle Gegebenheiten richtige Bewertung vorzunehmen.
Das System der Ampel bezieht sich nur auf vier konkrete Nährstoffe, die bei einer Aufnahme in zu hohem Maße negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Um beurteilen zu können, inwieweit mir ein Lebensmittel gut tut oder ernährungsphysiologisch sinnvoll ist, muss ich aber auch bestimmte andere Nährstoffe mit einbeziehen wie z.B. die Ballaststoffe oder auch eine Menge an ungesättigten Fettsäuren. Das wird durch die Ampel aber gar nicht abgebildet. Das sogenannte „Ampelsystem“ nach dem Vorbild von Großbritannien soll für die vier Nährstoffe Zucker, Fett, gesättigte Fettsäure und Salz mit den Farben ROT, GELB und GRÜN eine Bewertung vornehmen und somit auf einen Blick erkennen lassen, welche Qualität das Nahrungsmittel im Supermarktregal hat.

Die Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln bevormundet die Verbraucher und führt sie möglicherweise in die Irre. Aufgrund ihres Fett-, Salz- oder Zuckergehaltes können Lebensmitteln nicht als gut (grün) oder schlecht (rot) eingeteilt werden. Beispielsweise müssten Produkte wie Avocados, Butter, Margarine oder Nüsse entsprechend ihres Fettgehaltes mit „Rot“ gekennzeichnet werden. Speiseöl aus Raps zum Beispiel würde eine widersprechende Bewertung erhalten, es würde mit zwei roten und zwei grünen Punkten gekennzeichnet. Dieses führt nur zu Verwirrung und stellt keine Entscheidungshilfe für die Kaufentscheidung von Verbrauchern dar. Im Übrigen hängt die Frage, ob ein Lebensmittel ernährungsphysiologisch günstiger oder ungünstiger ist, entscheidend von der verzehrten Menge und vor allem von der Gesamternährung ab.

Erst wenn die Verbraucher wissen, wie viel Zucker, Fett oder Salz in den Produkten enthalten ist, wie es die nun verabschiedete Lebensmittelinformationsverordnung sogar vorschreibt, können Verbraucher sich eine ausgewogene Ernährung zusammenstellen, und entlarven, wenn vermeintlich gesunde Kinderdrinks oder angebliche „Fitness“-Produkte in Wahrheit nicht anderes als getarnte Zuckerbomben sind. Unter anderem hat die DGE in einer Erklärung auf eine fehlende wissenschaftliche Grundlage für eine solche Kennzeichnung hingewiesen. Zum anderen wird die Ampelkennzeichnung dem an sie gestellten Anspruch, einfach und auf einen Blick zu informieren, nicht gerecht, da auf der Verpackung nicht eine, sondern mehrere Ampeln abgebildet werden müssten, was wohl eher Verwirrung stiften als zur Information beitragen würde.

Vielmehr ist es nötig, das Wissen um eine gesunde Ernährung zu vermitteln und Transparenz zu schaffen. Daher haben BMELV und BMG (Bundesministerium für Gesundheit) als Nationalen Aktionsplan die Initiative „IN FORM“ - für mehr gesunde Ernährung und mehr Bewegung in Deutschland ins Leben gerufen. Das hält die Bundesregierung und das halte auch ich persönlich für einen sinnvolleren Umgang mit der Problematik als eine Farbkennzeichnung.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Michael Goldmann