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Hans-Michael Goldmann
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Frage von Reinhard Z. •

Frage an Hans-Michael Goldmann von Reinhard Z. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Dr. Goldmann,

der BSE-Erreger ist in Blutkonserven nicht nachweisbar!

Daß dem so ist, ist aus wissenschaftlicher Sicht eine Katastrophe. Eine noch viel größere Katastrophe ist aus meiner Sicht jedoch, daß es die politisch Verantwortlichen, u.a. leider auch Sie, bisher nicht geschafft haben, die nach wie vor bestehenden BSE-Infektionsmöglichkeiten, um den BSE-Erreger von Blutkonserven fern zu halten, zu unterbinden.

2004 (1) haben Sie der damaligen Ministerin Künast unterstellt:

Zitat: "Der FDP-Landwirtschaftsexperte Hans-Michael Goldmann nannte das Verhalten Künasts "eine unglaubliche Schlamperei"".

Was haben Sie, nach 2004, zur Schwarzschlachtung von Rindern ohne BSE-Test auf parlamentarischer Ebene geleistet?

Haben Sie je die rechtmässige Funktionsweise der Rinderdatenbank (HI-Tier) überprüfen lassen bzw. haben Sie die ihnen bekannten HI-Tier-Unregelmäßigkeiten den zuständigen Kontrollstellen in Brüssel mitgeteilt?

Haben Sie je bei der Bayr. Staatsregierung nachgefragt, ob diese Ihnen die bis dato offiziell unveröffentlichte Bayr. BSE-Risikoanalyse, aus 2003, zur Diskussion bzw. zum Erlass von Gegenmaßnahmen für das bestehende BSE-Infektionsrisiko in den verschiedenen Fachgremien des Dt. Bundestages, zur Verfügung stellt?

Haben Sie nicht bemerkt, daß in dieser BSE-Risikoanalyse das wahrscheinlich höchste BSE-Infektionsrisiko für Blutkonserven erklärt wird?

Aufgrund der darin getroffenen Aussagen ist davon auszugehen, daß Rinderschlachtbetriebe in denen je ein positiver BSE-Fall festgestellt wurde noch immer mit BSE-Prionen kontamiert sind.

Oder haben Sie einen wissenschaftlichen Nachweis der das Gegenteil belegt?

Was werden Sie nun tun bzw. kann man überhaupt noch etwas tun um das BSE-Infektionsrisiko für den Verbraucher auf ein Mindestmaß zu beschränken?

MfG
R. Zwanziger

(1) http://www.stern.de/politik/deutschland/bse-pannen-kuenast-schon-seit-februar-2003-informiert-518652.html

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Zwanziger,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Bei der BSE (= bovine spongiforme Enzephalopathie) handelt es sich um eine Rinderkrankheit, die das Gehirn schädigt und im feingeweblichen Erscheinungsbild der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) ähnlich ist. Sie wurde in den 1980er Jahren durch Verfütterung von infektiösem Tiermehl verbreitet. Die über 170.000 bekannt gewordenen BSE-Fälle bei Rindern betrafen ganz überwiegend Großbritannien.
Die Schutzmaßnahmen gegen BSE haben sich bewährt. Dies zeigt sich an dem EU-weit deutlichen Rückgang der BSE-Fälle. Im Jahr 2010 wurden in den EU-Mitgliedstaaten insgesamt 44 BSE-Fälle verzeichnet. In Deutschland wurde seit 2010 kein neuer BSE-Fall festgestellt.
Innerhalb der EU ist man deswegen auch der Meinung "kurz davor zu sein, die Krankheit innerhalb der Gemeinschaft auszumerzen" (VDM-Pressespiegel Ausgabe 09/2011 vom 04. März, Seite 4). Dieses wird weiterhin unterstrichen durch die angestoßene Diskussion von EU-Kommissar John Dalli über eine Lockerung des Totalverbots der Verfütterung von Schlachtresten nachzudenken. Vorausgesetzt alle nötigen Kontrollmechanismen seien funktionstüchtig, um den Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sicherzustellen.

In meiner weiteren Beantwortung beziehe ich mich unter anderem auf Ergebnisse und Informationen des Friedrich-Löffler Institutes.
Nach meiner Erkenntnis sind experimentelle Ergebnisse grundsätzlich wichtig für das Verständnis der Infektion durch Prionen. Bislang gibt es jedoch keine Hinweise auf eine mögliche natürliche Übertragbarkeit durch Aerosole in Hinblick auf BSE, Scarpie und andere transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE). Ein vom FLI gesicherter Infektionsweg, der experimentell nachgewiesen worden ist und auch aufgrund epidemiologischer Untersuchungen gesichert ist, ist die TSE-Erkrankung beim Tier durch orale Aufnahme von pathologischem Prionprotein. Da es sich bei den tierischen Formen der TSE um Einzeltiererkrankungen handelt und bei einer Übertragung durch Aerosole eine Häufung von infizierten Tieren innerhalb einer Gruppe zu erwarten wäre, spielen Aerosole beim Auftreten von TSE-Erkrankungen demnach offensichtlich keine Rolle.

Sie berufen sich vermutlich auf die im Januar 2011 publizierten Ergebnisse. In diesen Versuchen wurden Mäuse in einer Inhalationskammer einem Aerosol aus Hirnmaterial von an Scarpie erkrankten Mäusen ausgesetzt. Demnach war die Inkubationszeit umso kürzer, je länger die Mäuse dem Aerosol ausgesetzt waren, bereits eine Minute reichte für eine Erkrankung aus. Daraus kann geschlossen werden, dass unter den gewählten Bedingungen eine Übertragung über Aerosole möglich ist. Ob dadurch eine Übertragung von Prionen durch die Luft unter natürlichen Bedingungen möglich ist, ist nicht endgültig festzustellen.
Auch Herr Michael Beekes vom Robert-Koch-Institut in Berlin sagte in einem Interview, dass auch wenn der entdeckte Infektionsweg theoretisch möglich sei, er in der Praxis bisher noch keine Rolle zu spielen scheint. Begründet wird dies unteranderem damit, dass Epidemiologen keine Hinweise darauf gefunden haben, dass beispielsweise Schlachthofmitarbeiter mit BSE-Kontakt häufiger an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit litten. Auch Wissenschaftler, die Experten auf dem Gebiet der Prionenforschung sind, konnten keine erhöhten Fallzahlen feststellen ( www.spiegel.de ).

Um Erkenntnisse zu ziehen, die sich auf die Realität anwenden lassen, müssen meiner Meinung nach experimentelle Arbeiten durchgeführt werden, die die Möglichkeit der Entstehung von ähnlichen Aerosolen unter natürlichen Bedingungen überprüft. Mit den Ergebnissen aus Januar 2011 kann nichts zu einer über die bekannte generelle Gefährdung durch Prionen hinausgehende Gefahr ausgesagt werden.
Bezüglich der bekannten Gefährdung wurden von führenden Wissenschaftlern und Experten ausreichende vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen erstellt. Zu diesen zählen beispielsweise Gesichtsschutz wie etwas Visiere, Vermeidung der Entstehung von Aerosolen, Tragen von Mundmasken, Verwendung von Sicherheitswerkbänken.
Herr Hans Kretzschmar von der Ludwig-Maximilians-Universität München sieht für den möglichen neu entdeckten Übertragungsweg für die Praxis keine Relevanz und sieht keine Notwendigkeit für neue Sicherheitsregeln für den Umgang mit potentiell gefährlichem Material ( www.spiegel.de ).

Wahrscheinlich tut sich Ihnen nun auch die Frage auf, ob es möglich ist, dass Creutzfeldt-Jakob-Patienten/ BSE-Infizierte Kühe etc. Prionen mit der Atemluft ausscheiden. Dieses ist nach Ansicht des FLI unwahrscheinlich, da in der Natur solch hochbelasteten Aerosole, wie sie in experimentellen Modellen eingesetzt werden, kaum vorhanden sind. Außerdem gibt es, wie oben beschrieben, zahlreiche Schutzmaßnahmen.

Bisher wurde die Aerosolinfektion nicht als möglicher Infektionsweg betrachtet. Inwiefern die Ergebnisse der Studie biologisch eine Bedeutung haben, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Für weitere tiefergehende Fragen, bitte ich Sie sich an die zuständigen Facheinrichtungen und wissenschaftlichen Stellen zu wenden, mir liegen dazu keine neuen Erkenntnisse vor.

Übertragung durch Blutkonserven:
Es ergibt sich ein theoretisches Risiko für eine sekundäre Übertragung der VCJK zwischen Menschen, insbesondere über Blut und Blutpräparate, Organe und Gewebe oder über kontaminierte chirurgische Instrumente und Medizinprodukte. In den vergangenen Jahren kam es zu vier Fällen einer wahrscheinlichen VCJK-Übertragung durch Blut in Transfusionsempfänger und zu einem Fall einer mutmaßlichen Infektion durch ein Plasmapräparat. Dies schließt ein grundsätzliches Gefährdungspotenzial nicht aus. Dennoch ist vCJK im Vergleich zu anderen übertragbaren Krankheiten des Menschen insgesamt bisher nur in relativ geringen Fallzahlen aufgetreten. Ergriffene Vorsorgemaßnahmen sollten nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand einer unerwünschten und unvorhersehbaren Ausbreitung effektiv entgegenwirken (Beekes in Bundesgesundheitsblatt 2010/53: 604). Ergänzend möchte ich auf den Bericht der Arbeitsgruppe "Gesamtstrategie Blutversorgung angesichts vCJK" und auf die Stellungnahme zum Risiko der Übertragung von vCJK durch Plasmaderivate aus humanem Plasma (Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 2009:648-649) hinweisen. Der Arbeitskreis Blut sieht die Wahrscheinlichkeit, dass eine vCJK-Infektion durch in Deutschland auf dem Markt befindliche Gerinnungsfaktorenkonzentrate übertragen werden kann als äußerst gering an und sieht gegenwärtig keinen Anlass, die Behandlung mit aus menschlichem Plasma hergestellten Präparaten zu ändern. Zumal es weitreichende Schutz- und Vorsorgemaßnahmen für Blutspender und für Bluttransfusionen geeignetes Material gibt (siehe hierfür: Veröffentlichung des Paul-Ehrlich-Instituts vom 16.03.2009).

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Michael Goldmann